Nürtinger Zeitung

„Zur E-Mobilität gibt es keine Alternative“

„Zur E-Mobilität gibt es keine Alternative“

22.07.2017, —

Politikerrunde und Publikum diskutieren Zukunft der E-Mobilität beim E-Day der Stadtwerke Nürtingen

Um das Thema „Zukunft E-Mobilität und Auswirkungen auf den Automobilstandort Baden-Württemberg“ ging es bei einer Podiumsdiskussion mit vier Bundestagskandidaten des Wahlkreises Nürtingen der aktuell im Bundestag vertretenen Parteien. Die Diskussion war Teil des „E-Days“ der Stadtwerke Nürtingen im Freibad.

NÜRTINGEN (pm). Unter der Moderation von Oberbürgermeister Otmar Heirich lieferten sich Michael Hennrich (CDU) Nils Schmid (SPD), Matthias Gastel (Grüne) und Heinrich Brinker (Die Linke) einen Schlagabtausch. Die Frage, warum heute noch so wenig E-Mobile verkauft werden, beantworteten alle Teilnehmer gleich: zu teuer, zu wenig Infrastruktur, zu geringe Reichweite. Wie man diese Verkaufshindernisse aus dem Weg schaffen könne, darauf hatten die Politiker verschiedene Antworten. Michael Hennrich wollte den Absatz mit weiteren Prämien fördern, die Forschung fördern, die Ladeinfrastruktur ausbauen – bei diesem „Strauß an Maßnahmen“ aber nicht nur auf die Elektromobilität setzen, sondern technologieoffen bleiben und auch Diesel und die Brennstoffzelle nicht aus den Augen verlieren.

Dem stimmte Nils Schmid zu: Entscheidend sei, den CO2- und den Schadstoffausstoß insgesamt zu reduzieren. Hierzu sollten der Antrieb durch Strom und die Brennstoffzelle gefördert, aber auch Verbrennungsmotoren optimiert werden. Sein Credo: „Strom als alleinige Antriebsform wird nicht reichen.“

Das Programm der Grünen in Hinblick auf den Klimaschutzvertrag der UN-Klimakonferenz von Paris 2015 sehe hier gänzlich anders aus, sagte Matthias Gastel: „Damit der Vertrag von Paris eingehalten werden kann, 2050 null Gramm Treibhausgase auszustoßen, dürfen ab 2030 keine neuen Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden.“ Bezüglich der Infrastruktur verwies Gastel darauf, dass ein Elektroauto in der Regel zuhause geladen werde und 23 Stunden am Tag stehe. Der Ausbau eines Tankstellennetzes sei damit differenziert zu betrachten.

Heinrich Brinker sagte, statt nur den Individualverkehr zu fördern, gelte es, auch den Öffentlichen Personennahverkehr ins Blickfeld zu rücken. Er sprach sich nicht für eine Antriebswende, sondern für eine Verkehrswende aus. Zumindest sollten die öffentlichen Verkehrsmittel dem motorisierten Individualverkehr gleichgestellt werden. „Für die Akkus der Elektroautos werden Rohstoffe wie Lithium und seltene Erden benötigt, die sehr begrenzt sind und unter sehr umweltschädlichen Bedingungen abgebaut werden. Die Industriestaaten dürfen ihr Verkehrskonzept nicht zu Lasten des globalen Südens aufbauen“, so Brinker.

Das Problem des privaten Ladens griff Stadtwerke-Geschäftsführer Volkmar Klaußer auf: „Wenn in Nürtingen einmal 1000 Elektroautos gleichzeitig laden sollten, dann wäre das für unser Netz zum heutigen Zeitpunkt tatsächlich ein Problem.“ Er sprach sich deshalb für eine Stärkung und Stabilisierung der Netze aus und zugleich für eine Entscheidung, in welche Richtung die Entwicklung gehen sollte, um nicht „ein bisschen hier und ein bisschen da“ zu entwickeln.

Nächstes heiß diskutiertes Thema war die Befürchtung eines Arbeitsplatzverlustes gerade in Baden-Württemberg, wenn die Entwicklung der Automobilindustrie vom Verbrennungsmotor und vom Diesel weg Richtung Strom gehe. Heinrich Brinker verwies darauf, dass sich die Anzahl autonomer Fahrzeuge durch autonome Taxis und Transporter künftig laut Wissenschaftler um ein Drittel reduzieren könne, weshalb auch viel weniger Arbeitsplätze in der Automobilindustrie benötigt würden. Deshalb forderte er Forschungsmittel und Investitionen in andere Industrien, „damit die Menschen auch künftig Arbeit finden.“

Schmid sagte, dass ein Invest in neue Technologien immer auch ein Invest in verschiedene angegliederte Infrastrukturen sei und dass die Entwicklung weiterer Antriebstechnologien neben Strom vorangetrieben werden solle, um auch hier Arbeitsplätze entstehen zu lassen. Die Debatte über Fahrverbote hingegen für Dieselautos sei verheerend für die eigene Industrie und die eigenen Arbeitsplätze.

Auch Hennrich möchte die Zukunft technologieoffen angehen und stellte fest: „Ohne Verbrennungsmotor geht es nicht.“ Vor allem, weil ein Elektroauto aktuell für den Autokäufer in Bezug auf Urlaubsreisen oder Vielstreckenfahrer noch keine echte Alternative sei. Die Probleme mangelnde Reichweite und Preis sah auch Matthias Gastel, sagte aber auch: „Wir müssen positiver über Elektromobilität reden. Der Weltmarkt wird diese Autos stärker nachfragen und ich möchte, dass Deutschland hier vorne dabei ist.“

Nachdem alle Politiker ihre Statements abgegeben hatten, ergriff das Publikum die Gelegenheit zur Stellungnahme und meldete sich zahlreich zu Wort. Klaus Seeger, selbst E-Mobil-Fahrer, forderte das Podium dazu auf, die Photovoltaik wieder stärker ins Blickfeld zu rücken und kam nach einer Gegenrechnung der Wirkungsgrade der verschiedenen Antriebstechnologien zum Ergebnis: „Zur Elektromobilität gibt es keine Alternative.“ Sibylle Scheuerle, ebenfalls E-Mobil-Fahrerin, betonte den Klimaschutzgedanken und bat das Podium unter Applaus des Publikums darum, eines zu bedenken: „Arbeitsplätze allein retten unsere Welt auch nicht.“