Vectoring kontra Breitbandausbau
Vectoring kontra Breitbandausbau
Kreis plant Ausbau von übergeordnetem Glasfasernetz – Kommunen stehen vor Problemen beim örtlichen Ausbau
Digitalisierung und schnelles Internet sind in aller Munde. Das dafür notwendige Glasfasernetz weist jedoch noch zu viele Löcher auf. Die Kupfertechnik der Telekom zeigt sich dabei nicht nur als Übergangslösung, es gibt auch die Kritik, sie hemme sogar den Glasfaserausbau, der von der Fachwelt als die Technik der Zukunft bezeichnet wird.
Der Landkreis Esslingen treibt den Ausbau des sogenannten Backbone-Glasfasernetzes voran. Dabei handelt es sich um ein regionales Leitungs-Rückgrat, an das die Kommunen Anschluss finden sollen. Das haben sich die fünf Landkreise des Regionalverbands Stuttgart und die Landeshauptstadt auf die Fahnen geschrieben.
Für den Kreis Esslingen sind Kosten von 17,8 Millionen Euro für rund 250 Leitungs-Kilometer prognostiziert. Ihn schrecke das nicht, so Landrat Heinz Eininger in der letzten Sitzung des Technik- und Umweltausschusses, sieht er doch zum Ausbau des schnellen Glasfasernetzes keine Alternative. Diese Infrastruktur sei ein überaus wichtiger Standortfaktor. Außerdem stünden rund 11,7 Millionen Euro an Fördermitteln in Aussicht. Auch Thilo Kübler, der Breitband-Beauftragte des Landes Baden-Württemberg, betonte bei seinem Zwischenbericht zum Stand der Backbone-Planung in der Sitzung des Kreisausschusses: „Die Zukunft gehört der Glasfaser.“ Er gab allerdings zu bedenken: „Rund 40 Prozent aller Gewerbegebiete im Kreis Esslingen sind noch unterversorgt.“ Das heißt: Der von Bund und Land als Standard erachtete Mindestwert von 50 Megabit wird nicht erreicht. Und damit sei der Kreis Esslingen nicht alleine, so Kübler.
Beim Ausbau müssten möglichst viele Kommunen an einem Strang ziehen, das könne laut Landrat Eininger in einer kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts geschehen. Über diese könne dann auch die Refinanzierung eines weiteren Netzausbaus geschehen. Über den Aufbau dieser Kommunalanstalt soll nach der Sommerpause beraten werden.
Bis jetzt jedoch ist die Begeisterung bei den 44 Kreiskommunen noch geteilt. Die seit Anfang des Jahres beim Kreis angestellte Breitband-Koordinatorin Ann-Kathrin Sous hat das Interesse an einer Beteiligung abgefragt. Demnach äußerten sich 25 Kommunen positiv, neben den unentschlossenen gibt es aber auch acht, die eine kritische Haltung einnehmen. Martin Funk, SPD-Kreisrat und Ohmdener Bürgermeister, gab zu bedenken, dass für die Hausanschlüsse die Kommunen sorgen müssten, weil es dafür keine privaten Anbieter mit Glasfasertechnik gebe. Zu vertretbaren Kosten sei dies aber nur möglich, wenn Straßen wegen Leitungssanierungsarbeiten ohnehin aufgegraben werden.
Außerdem gibt es auch solche Kommunen, vor allem die größeren Städte, die bereits selbst seit einigen Jahren mit dem Ausbau des Netzes auf eigene Kosten unterwegs sind. So bestätigt Nürtingens Stadtwerke-Geschäftsführer Volkmar Klaußer: „Wir verlegen seit 15 Jahren bei jeder Tiefbaumaßnahme Leerrohre für Glasfaserkabel mit.“ In Nürtingen habe jedes Gewerbegebiet seit 2012 Glasfaseranschluss. Das gelte auch für die jüngsten Neubaugebiete, außerdem sei man dabei, im Zuge von Tiefbausmaßnahmen Privathaushalten direkten Glasfaseranschluss anzubieten. „Das könnte auch die Telekom, sie wurde und wird von der Stadt Nürtingen über jede Tiefbaumaßnahme informierte, lehnt aber einen Glasfaserausbau ab, deshalb haben wir es selbst gemacht“, so Klaußer.
Offensichtlich will die Telekom ihr bestehendes Netz so lange wie möglich für Internet-Angebote nutzen. Dafür baut sie zurzeit verstärkt das Netz zwischen ihren Verteilerpunkten mit Glasfaser aus, doch von dort aus geht es mit den Kupferkabeln des bestehenden Telefonnetzes in die Häuser. Allerdings stören sich die einzelnen Fasern des Kupferkabels gegenseitig, was die Übertragungsgeschwindigkeit wieder mindert. Mit der sogenannten Vectoring-Technik sollen diese Signale entstört werden.
Für Landrat Eininger wie auch für Breitbandberater Kübler ist das allenfalls eine Übergangstechnik für die nächsten drei bis fünf Jahre, schon bald aber werde nach noch höheren Übertragungsgeschwindigkleiten gefragt, das Vectoring stößt dann aber an Grenzen. CDU-Fraktionschef Martin Fritz wies in der Ausschusssitzung jedoch auf den Zeitfaktor hin: „Manche Gewerbetreibende und auch Privatleute rennen mir schon die Rathaustüre ein mit dem Wunsch nach schnellerem Internet.“ Der Großbettlinger Bürgermeister sehe sich fast schon gezwungen, auf private Anbieter zu setzen.
Fördermittel für Glasfaser durch private Anbieter in Frage gestellt
Auch in seiner Gemeinden werden Tiefbaumaßnahmen genutzt, um alles für Glasfaser vorzubereiten, das sei relativ günstig, so Fritz. Müsste aber, um Lücken zu schließen, doch eigens gegraben werden, komme das teuer. Und dafür gebe es keine Fördermittel, weil Großbettlingen mit der Telekom und auch mit United Media und seinem Netz für Kabelfernsehen mittlerweile Anbieter vor Ort habe, wenn auch mit weniger leistungsfähiger Technik. Auch sei die Wechselbereitschaft zu Glasfaserangeboten bisher noch gering, weil viele Kunden momentan mit der von privaten Anbietern versprochenen Leistungsfähigkeit zufrieden seien. Deshalb und wegen der ausbleibenden Fördermittel behindere das Vectoring die Wirtschaftlichkeit des Glasfaserausbaus, stellt Stadtwerke-Geschäftsführer Klaußer fest.
Von Bürgermeister Fritz angesprochen auf diese Hemmnisse, wandte sich der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich jüngst schriftlich sowohl an den Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Telekom AG, Timotheus Höttges, als auch an Alexander Dobrindt, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dabei trug er auch Fritz’ Beobachtung vor, dass zum Teil Doppelstrukturen an Glasfaserleitungen aufgebaut würden, zumindest auf Hauptsträngen, was für alle die Wirtschaftlichkeit beeinträchtige. Dies kann jedoch nur der Gesetzgeber regeln. Außerdem stellt Hennrich fest, das die Telekom just dann aktiv werde, wenn Glasfaserangebote im Raume stünden.
Eine punktuelle Zusammenarbeit erscheint sich wenigstens für das Großbettlinger Gewerbegebiet Rammert zu ergeben. Dort hat die Telekom laut einer Vorlage zu einer Gemeinderatssitzung für einen Interessenten ein Angebot von 142 000 Euro gemacht. Nürtingens Stadtwerke-Geschäftsführer Klaußer glaubt, ein Angebot für etwa die Hälfte dieses Betrags und für mehrere Firmen machen zu können, hat man am Rammerthof doch schon eine Glasfaserleitung. Außerdem soll in dessen Nachbarschaft das Rammerttal zu einem kleinen Nürtinger Gewerbegebiet erschlossen werden, was weitere Synergien bedeutet. Fritz und Klaußer bestätigen, in guten Gesprächen darüber zu sein.