Nürtinger Zeitung

„Mehr Europa wagen“

„Mehr Europa wagen“

07.01.2017, VON SYLVIA GIERLICHS — Die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Markus Grübel und Michael Hennrich blicken auf ein spannendes Wahljahr

Was nimmt sich die CDU im Wahljahr 2017 vor? Was wird die Diskussionen bestimmen? Die beiden Bundestagsabgeordneten Markus Grübel und Michael Hennrich und der Kreisvorsitzende Thaddäus Kunzmann gaben am Donnerstag in Oberboihingen einen Ausblick auf das vor ihnen liegende Jahr.

OBERBOIHINGEN. Vor der CDU liegt – nach eigenem Bekunden – der schwierigste Wahlkampf seit der Wiedervereinigung. Ein Satz, den die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel im November in einer Pressekonferenz sagte. Bei der CDU im Kreis Esslingen ist man der gleichen Ansicht. Obwohl der Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich eigentlich von solchen Komparativen nicht viel hält: „Das hört sich immer so an wie bei Juan Antonio Samaranch, der immer von den „schönsten Olympischen Spielen“ sprach“, witzelte er.

Bevor die beiden Bundestagsabgeordneten jedoch zur Bundestagswahl Stellung nahmen, blickte der CDU-Kreisvorsitzende Thaddäus Kunzmann auf das gerade zu Ende gegangene Jahr zurück. Ein schwieriges Jahr nannte Kunzmann es – auch angesichts der Landtagswahlen im März. Eine Vernunftehe mit den Grünen sei man danach eingegangen, „das müssen beide Partner auch nicht verbergen.“ Doch die Partei könne und wolle es sich nicht leisten, in die Fundamentalopposition zu gehen. Der Platz sei links und rechts bereits besetzt. Die Landes-CDU habe es in den fünf Jahren auf der Oppositionsbank versäumt, ihr Profil zu schärfen, analysierte Kunzmann.

Und was wird 2017 anders? Auf Kreisebene denkt die CDU über flachere Strukturen nach, um im schnellen, medialen Zeitalter beweglicher zu sein. Und mit Birgül Akpinar (Filderstadt) und Illona Koch (Leinfelden-Echterdingen) haben zwei Damen Interesse bekundet, sich für die Landesliste aufstellen zu lassen. In einer Versammlung Anfang Februar werden die Mitglieder entscheiden, wer von beiden oder ob gar beide ihre Bewerbung an den Landesverband senden dürfen.

„Die Terroristen werden uns nicht schaffen“

Markus Grübel, MdB

Für die Bundestagswahl bereits nominiert sind die beiden Direktkandidaten Markus Grübel (Esslingen) und Michael Hennrich (Nürtingen). Und deren Wahlziel ist es natürlich, das Direktmandat zu holen. Im Kampf gegen eine mögliche rot-rot-grüne Koalition und gegen die AfD sieht Grübel einen Schwerpunkt des Wahlkampfes. Einen zweiten Schwerpunkt sieht er in den Themen Sicherheit, Freiheit, Schutz und Frieden. „Die Terroristen werden uns nicht schaffen“, sagt Grübel und es klingt fast trotzig. Ganz eindeutig unterstützt Grübel den Vorstoß des Bundesinnenministers Thomas de Maizière, die deutschen Sicherheitsbehörden neu zu ordnen. „Man kann die Gefahr nicht regional bekämpfen“, so Grübel. Er kritisierte, dass die Grünen und die SPD seit Monaten die Deklarierung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten blockieren. Und er zeigt sich als Befürworter von Transitzonen – einer Einrichtung, die es an Flughäfen schon lange gebe. Erst in der vergangenen Woche sei ein ehemaliges Top-Mitglied der afghanischen Taliban so am Frankfurter Flughafen an der Einreise gehindert worden.

In Zeiten, in denen die Kritik an Europa immer lauter wird, wünscht sich Markus Grübel mehr Europa. Denn nur ein starkes Europa habe dem technologiehungrigen China und dem neuen US-Präsidenten Donald Trump etwas entgegenzusetzen. „Mehr Europa wagen“, lautet Grübels Slogan. Auch aus Gründen der Sicherheit.

Wie es mit Europa weitergeht, das ist auch ein Thema, das den Nürtinger Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich umtreibt. Er beobachtet die Entwicklung eher skeptisch. „Europa war und ist für mich eine Institution, die für Meinungsfreiheit, Demokratie und den Rechtsstaat steht. Und letzteres ist für mich in den letzten Jahren etwas zu kurz gekommen“, sagt Hennrich. Die Kernaufgaben Europas sieht er in der Verteidigungspolitik, der Absicherung der Grenzen und in der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung. Finden sich hier Lösungen, könne die EU auch wieder punkten.

Transitzonen für Asylbewerber, wie Grübel befürwortet Hennrich diese. Ebenso wünscht er sich mehr Effizienz bei der Abschiebung. „Aber auch die Integration der Flüchtlinge, die hier bleiben können, müssen wir schaffen“, sagt er. Die Leute müssten spüren, dass der Rechtsstaat funktioniere. „Was mich ärgert, ist die unsägliche Debatte um die Obergrenze. Wer glaubt, das wir damit das Thema Sicherheit beeinflussen können, irrt“, spielt Hennrich auf die Diskussion an, die der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer jüngst wieder angestoßen hatte.

Koalition mit den Grünen? Die Unterschiede sind zu groß

Spannend findet Hennrich die Frage, wie man die Entwicklung einer auseinanderdriftenden Gesellschaft stoppen kann. Eine Koalition mit den Grünen? Hennrich schüttelt den Kopf: „In Fragen, die das Land bewegen, gibt es sehr große Unterschiede“, sagt er. Mit der Nutzung der sozialen Netzwerke will sich Hennrich in diesem Wahlkampf näher auseinandersetzen. Erreicht man über Facebook neue Wählerschichten? Kann man den Wahlkreis so zielgenauer erreichen? Das soll überprüft werden.

In seinem Fachgebiet, der Gesundheitspolitik, laufe derzeit alles in ruhigem Fahrwasser. Froh ist Hennrich darüber, das Thema Pflege mit all seinen Facetten aufgegriffen und mit dem dritten Pflegestärkungsgesetz die Grundlagen für mehr Individualität in der Pflege geschaffen zu haben.

Beide Abgeordnete verfolgen natürlich auch mit großem Interesse die Vorgänge in ihren Wahlkreisen. Markus Grübel beispielsweise inspiziert immer wieder die Bahnhöfe der Region. Nicht funktionierende Aufzüge? Ein leidiges Thema an vielen Orten. In Esslingen hat die Bahn nun eine Firma aus der Region mit der Reparatur der Aufzüge beauftragt – auch auf Grübels Intervention hin.

Michael Hennrich ist hingegen froh, dass der Ausbau der B 27 in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans gerutscht ist. Auch die S-Bahn-Verlängerung nach Neuhausen wertet er als positives Signal und hofft, auch den Ringschluss zwischen dem Neckartal und den Fildern noch erleben zu können.

Und die Türkei? Mit Sorge betrachten beide Abgeordneten die Entwicklungen. „Erdogan bewegt sich im Grenzgebiet zwischen Demokratie und totalitärem Staat“, sagt Grübel. Den Krieg der Türkei gegen die Kurden hält er für eine völlige Fehlentscheidung. Michael Hennrich findet es spannend, in der Türkei zu beobachten, dass mehr Sicherheit nicht mit großer Härte erreicht werden kann.