Nürtinger Zeitung

Ein groteskes Ringen um die Macht

Ein groteskes Ringen um die Macht

24.09.2016, VON MATTHÄUS KLEMKE —

Bundestagsabgeordnete aus der Region halten den US-Wahlkampf zwischen Donald Trump und Hillary Clinton für befremdlich

Es ist der wohl skurrilste Wahlkampf in der Geschichte der USA. Hillary Clinton und Donald Trump liefern sich einen offenen Schlagabtausch. Politisches Know-how scheint dabei nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Wir fragten Bundestagsabgeordnete aus den Wahlkreisen Nürtingen und Esslingen, wen sie sich als künftigen US-Präsidenten wünschen.

NÜRTINGEN/ESSLINGEN. Scheinwerfer leuchten auf. Der Queen-Klassiker „We are the Champions“ dröhnt durch die Halle. Auf der Bühne erscheinen die Umrisse eines kantigen Mannes. Die Tausenden Zuschauer hält es nicht mehr auf ihren Plätzen. Als der Mann auf der Bühne langsam aus dem Schatten schreitet, wird klar: Das ist gar kein Popstar, das ist Donald Trump.

Der Auftritt des Republikaners im Juli beim Partei-Treffen in Cleveland ist bezeichnend für den US-Wahlkampf: Viel Show, wenig Inhalt. Man wird das Gefühl nicht los, dass Themen wie die Gesundheitsreform, der Klimawandel oder die Bekämpfung des IS zweitrangig sind. Im Vordergrund stehen Sexaffären, ausspionierte E-Mails, nicht gezahlte Steuern und der Umgang mit schreienden Babys. Und natürlich die wichtigste aller Fragen: Ist das da auf Donald Trumps Kopf ein Toupet oder tatsächlich eine schlecht sitzende Frisur?

Es ist ein schmutziger Kampf um die Macht, den sich Clinton und Trump liefern. Dabei gerät schnell in Vergessenheit, dass eine dieser beiden Personen bald eine Weltmacht regieren soll. Wer das sein wird, darüber entscheiden die Amerikaner am 8. November. Auch in Deutschland blickt man gespannt über den Großen Teich.

„Den Wahlkampf verfolge ich sehr intensiv“, sagt CDU-Bundestagsabgeordneter Michael Hennrich aus dem Wahlkreis Nürtingen. Für ihn sei es „befremdlich“, auf welche Art und Weise in den Staaten Wähler mobilisiert werden: „Da geht es sehr weit ins Persönliche. Aber das hat auch seine positiven Seiten: Es erhöht offensichtlich die Wahlbeteiligung.“

Was bei diesen US-Wahlen anders ist als bei den vorherigen? „Bei früheren US-Wahlen hatte man oft das Gefühl, dass die Kandidaten sich in ihrer politischen Wirkung doch sehr ähneln. Das ist jetzt anders“, so Hennrich: „Mit ihren Aussagen polarisieren die beiden Kandidaten sehr stark. Man muss sich natürlich fragen, inwiefern die Dinge auch umgesetzt werden, die im Wahlkampf versprochen werden. Allerdings befürchte ich, dass einige von den Dingen wirklich umgesetzt werden“, sagt Hennrich und meint damit einige Vorhaben Trumps wie zum Beispiel den Bau einer Mauer zwischen Mexiko und den USA.

„Jeden anderen Politiker würde man in der Luft zerreißen“

Rainer Arnold, SPD-Abgeordneter

Eine Gefahr gehe von dem 70-Jährigen aber nicht aus: „Ich glaube nicht, dass die Dinge völlig aus dem Ruder laufen würden. Als damals Ronald Reagan zur Wahl stand, konnte sich auch niemand vorstellen, dass ein Schauspieler Präsident wird.“ Hennrich sagt, dass ein Wahlsieg des exzentrischen Präsidentschaftskandidaten sogar positive Auswirkungen haben könnte: „Trump könnte neue Akzente setzen. Die USA ziehen sich seit Jahren aus der Weltpolitik zurück und übernehmen zu wenig Verantwortung. Trump könnte diese Defizite in der amerikanischen Außenpolitik ausbessern.“

Das sieht der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold anders: „Wenn Trump sein Geschwätz und seine Verrücktheiten umsetzt, muss man sich ernsthaft Sorgen machen.“ Der Republikaner könne tun und lassen, was er will: „Trump kann es sich erlauben zu lügen und rassistische Parolen von sich zu geben, weil seine Anhänger ein genauso eingefahrenes Weltbild haben wie er. Jeden anderen Politiker würde man in der Luft zerreißen.“

Die Vereinigten Staaten seien ein „besorgniserregendes Beispiel dafür, wie rechtsnationale Populisten, wie Trump einer ist, mit einfachen Antworten Erfolg haben können“. Als Mitglied des Verteidigungsausschusses des Bundestages beobachtet Arnold auch die außenpolitischen Vorhaben Trumps kritisch. Der hatte angekündigt, im Falle seines Wahlsieges das Militär massiv aufzustocken und die Terrormiliz Islamischer Staat „in die Hölle zu bomben“, so Trumps Worte.

„Der weiß doch gar nicht, wo die Länder liegen, die er bombardieren möchte“, sagt Arnold. Was der Unternehmer von sich gibt, sei völlig diffus: „An einem Tag behauptet Trump, er wolle den Fokus auf nationale Angelegenheiten legen, und dann spricht er wiederum von Aufrüstung. Das passt alles vorne und hinten nicht.“ Arnold hält Clinton für die richtige Person für das Präsidentenamt: „Sie spricht vielleicht nicht die Herzen der Menschen an, aber sie muss sich nicht dafür entschuldigen, dass sie eine kompetente Politikerin ist. Ich habe sie zweimal auf Konferenzen erlebt und muss sagen, dass sie eine ganze Menge von Politik versteht.“

Laut Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen, ist der Republikaner das stärkste Argument für Clinton: „Trump ist ein politischer Pöbler. Seine Politik richtet sich gegen Latinos, Muslime und Frauen.“ Gastel staunt immer wieder darüber, wie „aggressiv und unpolitisch“ in den USA Wahlkampf betrieben wird: „Es ist ganz viel Angstmache und wenig Sachlichkeit. Ich bin froh, dass das in Deutschland anders läuft, außer vielleicht bei der AfD.“

Zwar fehle es auch Clinton an Glaubwürdigkeit, allerdings sei sie berechenbarer als ihr Kontrahent. Wer besser für Deutschland und die EU sei, könne er nicht genau sagen: „Man weiß nicht, was nur Wahlkampfgetöse ist und was nicht. Ich bin mir aber sicher, dass die Bereitschaft, Dinge gemeinsam anzupacken, bei Hillary Clinton größer wäre, gerade auch, was den Klimaschutz und die Flüchtlingspolitik anbetrifft.“

„Wichtige Fragen geraten in den Hintergrund“

Markus Grübel, CDU-Abgeordneter

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Staatssekretär Markus Grübel aus dem Wahlkreis Esslingen stellt klar, welche Bedeutung der Wahlausgang für Deutschland hat: „Die USA sind historisch betrachtet und angesichts der globalen Herausforderungen ein wichtiger Verbündeter für uns.“

Der Wahlkampf in den USA gehe aber in eine falsche Richtung: „Er ist stark auf Personen und weniger auf Themen fokussiert. Das finde ich schade, weil dadurch viele wichtige Fragen in den Hintergrund geraten.“ Eine Bewertung der beiden Kandidaten stehe ihm nicht zu. „Allerdings haben mich einige Aussagen von Trump irritiert. Aber als Politiker weiß ich auch, dass jeder Präsident auf das Wissen einer erfahrenen Administration zurückgreifen kann und nicht vollkommen unabhängig handelt“, so Grübel.

Was er sich von dem neuen Präsidenten erhofft? „Dass er starke Verantwortung in der Welt übernimmt. Gegenwärtig haben sich die USA von vielen internationalen Konfliktherden zurückgezogen. Das ist zwar vor dem Hintergrund der amerikanischen Außenpolitik der Vergangenheit nachvollziehbar, hat aber die Einflussmöglichkeiten anderer Staaten, wie Russland, erhöht. Es wäre gut, wenn die USA einen außenpolitischen Mittelweg zwischen Dominanz und Zurückhaltung finden würden.“