CDU-Bundestagsabgeordneter Michael Hennrich über dubiose Nebentätigkeiten von Politiker-Kollegen
CDU-Bundestagsabgeordneter Michael Hennrich über dubiose Nebentätigkeiten von Politiker-Kollegen
Im Interview spricht der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich über dubiose Nebentätigkeiten von Politiker-Kollegen
Die Affäre um dubiose Nebentätigkeiten von Abgeordneten hat der CDU massiv geschadet. Michael Hennrich, der seit 2002 den Wahlkreis Nürtingen im Bundestag vertritt, hat als Gesundheitspolitiker auch enge Verbindungen ins Gesundheitsministerium. Im Interview fragen wir den Abgeordneten nach seinen Nebentätigkeiten, dem Umgang mit Lobbyisten und einem möglichen Moralverfall innerhalb der CDU.
„Im Bann der Raffkes“ titelte letzte Woche eine überregionale Zeitung. Was halten Sie von Abgeordneten-Kollegen, die bei Masken-Vermittlungen die Hand aufhalten?
Man ist fassungslos und wütend. In einer Situation wie im vergangenen Jahr, in der die Not an allen Ecken und Enden mit den Händen zu greifen war, als Abgeordneter Geld für das Vermitteln von Masken zu verlangen – für mich ist so etwas unvorstellbar.
Wird man als Abgeordneter von Lobbyisten in Versuchung geführt?
Das ist ein weites Feld, bei denen die Grenzen zwischen Erlaubtem und Illegalem nicht immer ganz leicht zu ziehen sind und bei denen es auch unterschiedliche Wertvorstellungen gibt. Nicht alles, was nicht verboten ist, ist automatisch erlaubt. Jeder Einzelne muss für sich einen Wertekompass definieren. Meine Regel lautet: Alles was ich tue muss ich meiner Familie am Frühstückstisch erklären können.
Haben Sie auch Kontakte von Firmen aus Ihrem Wahlkreis an das Gesundheitsministerium in Berlin vermittelt?
Ich habe permanent Kontakte hergestellt, beim Thema Materialbeschaffung in Richtung Gesundheitsministerium und noch viel häufiger bei Fragen rund um die Überbrückungshilfen ins Wirtschaftsministerium. Es gab keinerlei finanzielle Zuwendungen oder geldwerte Vorteile für mich, meine Familie oder meine Partei. Das ist mein Amtsverständnis, jedem der ein Anliegen hat zu helfen und ihn zu unterstützen. Das gilt für alle Bürgerinnen und Bürger und das gilt auch für Unternehmen.
Als Gesundheitspolitiker hat man ja auch mit Pharmakonzernen und anderen großen Unternehmen zu tun. Wie viel kommt bei Ihnen im Jahr an entgeltlichen Tätigkeiten neben dem Mandat zusammen? Bekommt man von solchen Unternehmen auch Wahlkampfspenden?
Ich bin seit zwölf Jahren Vorsitzender von Haus und Grund Württemberg und bekomme eine Aufwandsentschädigung und seit fünf Jahren im Aufsichtsrat einer privaten Krankenversicherung in der Region. Auch dort gibt es eine Vergütung. Das ist alles transparent veröffentlicht. Meine Tätigkeit bei Haus und Grund kennt jeder, der mit mir zu tun hat. Die Krankenversicherung ist ein Versichertenverein auf Gegenseitigkeit und keine Aktiengesellschaft – für mich ein wesentlicher Punkt. Vereinzelt halte ich Vorträge gegen Entgelt – das aber nur dann, wenn es mit einem besonderen Aufwand verbunden ist. Zum Beispiel ein Fachvortrag zu einem Thema, in das ich mich einarbeiten muss oder wo man an einem Wochenende unterwegs ist. Aber auch da gilt: Alles veröffentlicht und transparent und: ich könnte es gegenüber meiner Familie rechtfertigen. Spenden gibt es, aber weniger von Pharmafirmen. Das ist denen verboten. Und das ist auch gut so.
In der Unionsfraktion versucht man derweil mit einem Verhaltenskodex aus der Defensive zu kommen. Ist das der richtige Weg?
Es ist ein erster Ansatz, aber noch nicht konsequent zu Ende gedacht. Es gibt schon Graubereiche, die man noch einmal näher beleuchten muss. Wie geht man um mit Beratungsunternehmen von Abgeordneten, was darf ein Rechtsanwalt, wie geht man mit der Vortragstätigkeit von Abgeordneten um, auch das Spendenwesen ist in meinen Augen nicht wirklich gut geregelt. Transparenz ist wichtig, reicht aber allein nicht aus. Ich könnte mir für bezahlte Tätigkeit oder Vorträge neben der Anzeigepflicht auch eine Genehmigungspflicht – zum Beispiel durch den Ältestenrat des Bundestages – vorstellen. Das würde vieles erleichtern.
Der Vorwurf des Moralverfalls bei den etablierten Parteien wird in der Bevölkerung immer lauter. Wie begegnen Sie der Kritik?
Indem ich versuche, jeden Tag aufs Neue meinen Job gut zu machen. Manchmal gelingt mir das; manchmal nicht.
Kreissaal, Hörsaal, Plenarsaal – vielen CDU-Politikern fehlt es an Berufserfahrung in der freien Wirtschaft, sie steigen nur auf der Partei-Karriereleiter nach oben. Ist das der Grund, warum manche Politiker so wenig Bodenhaftung haben?
Zuerst einmal: Mir ist es neu, dass es nur ein Problem der CDU ist. Zudem auch wieder so ein Punkt, bei dem die Debatte nicht offen geführt wird. Einmal will man keine Berufspolitiker, die keine berufliche Erfahrung haben; umgekehrt will man anscheinend aber auch nicht, dass Abgeordnete weiter beruflich tätig sind. Was wollen wir dann? Entscheidend ist für mich persönlich, wie ein Abgeordneter sich in seinem Wahlkreis engagiert. Ich glaube es ist wichtig zu akzeptieren, dass es Abgeordnete der unterschiedlichsten Couleur mit unterschiedlichstem Background gibt. Wir Abgeordnete wollen am Ende unserer Tätigkeit alle nicht heilig gesprochen werden. Das Schöne an der Demokratie ist, die Wähler können entscheiden, wem sie ihre Stimme geben.
Neben der Masken-Affäre gibt es auch noch die Aserbaidschan-Affäre, die ja auch bis nach Baden-Württemberg reicht. Otto Hauser, der ehemalige Esslinger Bundestagsabgeordnete und Vater von Tim Hauser, dem stellvertretenden CDU-Kreisvorsitzenden, ist Honorarkonsul von Aserbaidschan. Gibt es da auch Verbindungen zu Ihnen?
Nullkommanull!
Haben sich die dubiosen Nebentätigkeiten von Abgeordneten negativ auf das Landtagswahlergebnis der CDU in Baden-Württemberg ausgewirkt?
Natürlich, aber das war nicht der einzige Grund. Auch das schlechte Corona-Management in Berlin seit Herbst letzten Jahres und strukturelle Probleme der CDU in Baden-Württemberg haben am Ende zu dem miserablen Ergebnis der CDU geführt.
Was muss passieren, damit die Christdemokraten bis zur Bundestagswahl wieder aus dem Tief herauskommen?
Es ist wie beim Fußball, nach einer Serie von Niederlagen, sich zusammensetzen, analysieren wo die Fehler liegen und dann besser spielen. Es kommt vieles zusammen: Mal läuft es nicht rund, weil die Taktik nicht stimmt, es gibt aber auch individuelle Fehler, die ein Spiel entscheiden. Das müssen wir abstellen. Trotzdem sind wir noch an der Tabellenspitze, wir müssen aber besser werden, sonst rutschen wir weiter ab.