Nürtinger Zeitung

Grüner Wasserstoff als Hoffnungsträger

Grüner Wasserstoff als Hoffnungsträger

07.01.2021 05:30, VON NICOLE MOHN —

Online ins Jahr 2021: CDU Nürtingen gestaltet Neujahrsempfang digital – MdB Stefan Kaufmann als Gastreferent

Schwierige Zeiten erfordern mitunter neue Wege. So verlagerte die CDU Nürtingen gestern ihren Neujahrsempfang coronabedingt kurzerhand von der Kreuzkirche ins Internet. Den Blick lenkten die Christdemokraten dabei auf das Zukunftsthema Energiewende.

NÜRTINGEN. Rund 70 Teilnehmer klicken sich gestern Vormittag in die digitale Variante des Neujahrsempfangs der CDU Nürtingen. Heimische Couch statt Kreuzkirche also, auch für Sekt und Häppchen müssen die Teilnehmer in diesem Jahr selbst sorgen. Sonst ist aber fast alles wie immer.

Michael Hennrich ist dabei, auch Kollegen aus den anderen Fraktionen des Nürtinger Stadtrates, altgediente CDUler und ein paar Neugierige. Neujahrsempfang, das ist für den Stadtverbandsvorsitzenden Thaddäus Kunzmann immer Anlass, kurz auf das zurückliegende Jahr zu blicken. Und das wurde und wird bestimmt durch die Corona-Pandemie. Er beneide derzeit keinen der Entscheidungsträger um ihre Aufgabe, das richtige Mittel zu finden, betont Kunzmann: „Die Menschen kämpfen, aber auch die Politiker kämpfen um den richtigen Weg.“

Ein Thema greift der CDU-Stadtverbandsvorsitzende besonders heraus. Die Schulen. Die Bedeutung von Bildung dürfe auch in Zeiten der Pandemie nicht vernachlässigt werden, fordert er eine schnelle Rückkehr zum Präsenzunterricht, insbesondere in den Grundschulen. Bei Online- oder Wechselunterricht würden jene Kinder abgehängt, die zuhause wenig oder keine Unterstützung beim digitalen Lernen erhalten. „Wir laufen Gefahr, dass ganze Jahrgänge verloren gehen“, befürchtet er.

Nach der Pandemie wieder schnell in die Gänge kommen

Er sei sich bewusst, dass Schule unter Pandemiebedingungen Kompromisse bedeute. „Aber die müssen andere Berufsgruppen auch täglich eingehen“, nennt Kunzmann als Beispiel Verkäufer, Busfahrer oder Pflegekräfte. Die neuen Beschränkungen trägt Kunzmann alle mit. Nach der Beendigung der Maßnahmen aber müsse Deutschland schnell wieder in die Gänge kommen, fordert er. „Egal, ob es die Digitalisierung der Schulen ist, die Einstellung von mehr Pflegekräften oder andere Dinge. Der Wirtschaftsaufschwung ist es, der das alles bezahlt“, macht Kunzmann deutlich, dass es nach der Pandemie nicht mehr entschleunigt weitergehen könne.

Dann wird auch das Thema Klimaschutz wieder verstärkt auf der Agenda stehen, sagt Gastreferent Stefan Kaufmann. Der Stuttgarter CDU-Bundestagsabgeordnete ist seit Juni Innovationsbeauftragter der Bundesregierung für sogenannten grünen Wasserstoff. Ein echter „Gamechanger“ aus Kaufmanns Sicht, denn der mit Hilfe von erneuerbaren Energien hergestellten Wasserstoff könnte der Schlüssel zur Energiewende und zur angestrebten Dekarbonisierung sein.

Satte 750 Millionen Tonnen CO² produzieren die Deutschen derzeit jedes Jahr. Allein ein Stahlwerk von Thyssen-Krupp bringt es pro Jahr auf 20 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Gases. „Das ist so viel wie zehn Millionen Diesel-Pkw“, merkt Kaufmann an. Bis 2050 soll der Wert gegen Null gehen. So jedenfalls der Plan. Lange setzte Deutschland beim Erreichen dieses Zieles auf Strom. Mittlerweile habe man aber erkannt, dass Elektrizität als Ersatz für fossile Brennstoffe nicht ganz so gut funktioniere, führt der Fachmann aus. Mit Batterien und Elektromotoren können weder ein Langstrecken-Flugzeug noch ein Schiff oder Stahl- oder Chemiewerk betrieben werden. Mit grünem Wasserstoff hingegen ist das möglich. „Mit Wasserstoff könnten Hochöfen beheizt, Züge, Kreuzfahrtschiffe, Autos oder schwere Nutzfahrzeuge angetrieben werden“, zählt Kaufmann auf.

Auch die Umrüstung von Heizungen auf Wasserstoff sei möglich. Erste Projekte zur Nutzung von Wasserstoff gibt es bereits – auch in Deutschland, auch in Nürtingen. Zusammen mit dem Start-up-Unternehmen Keyou treibt die Nürtinger Firma Nagel die Entwicklung eines Wasserstoffantriebs für Nutzfahrzeuge voran. Daimler Trucks arbeitet in einem Joint Venture an Brennstoffzellen für Lkw. Dass der Automobilhersteller vor rund 20 Jahren aus der Entwicklung von Brennstoffzellen für die Pkw-Sparte ausstieg, ist für Kaufmann ebenso eine falsche Entscheidung wie nun der Entschluss, rein auf Elektroantriebe zu setzen.

Produziert werden kann der grüne Wasserstoff überall dort, wo es viel Sonne, Wind oder Wasserkraft gibt. In Afrika ebenso wie in Australien oder Südamerika. Damit könnte Deutschland sich unabhängiger machen von den Gaslieferungen aus Russland und den Erdöl-Staaten.