Nürtinger Zeitung

US-Wahlen: Das sagen die Bundestagsabgeorndeten zu Biden und Trump

US-Wahlen: Das sagen die Bundestagsabgeorndeten zu Biden und Trump

10.11.2020 05:30, VON MATTHÄUS KLEMKE —

Nach der US-Wahl zeigen sich die Bundestagsabgeordneten aus der Region erleichtert, warnen allerdings vor zu großen Illusionen

Joe Biden wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten – auch wenn Donald Trump das noch nicht so ganz einsehen möchte. Die tagelangen Auszählungen in den USA wurden auch hierzulande mit großer Spannung verfolgt. Wir sprachen mit den Bundestagsabgeordneten aus der Region über Biden, Trump und darüber, was das Wahlergebnis für Deutschland bedeutet.

Am Samstag fand die lange Hängepartie um den Einzug ins Weiße Haus endlich ein Ende. Als Erstes verkündete der Nachrichtensender CNN den Wahlsieg Bidens über Trump. In zahlreichen Metropolen der USA gab es daraufhin kein Halten mehr. Auf den Straßen feierten tausende Menschen die Abwahl Trumps.

Selten ist eine Wahl außerhalb Deutschlands auch hierzulande auf so viel Interesse gestoßen. „Es gab noch keine US-Wahl, die mich so bewegt hat wie diese“, sagt Michael Hennrich, CDU-Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Nürtingen: „Es war die Entscheidung darüber, ob es einen Neuanfang geben wird oder noch schwere Zeiten auf uns zukommen.“ Dass nun alle Zeichen auf Neuanfang stehen, freue ihn „ungemein“, so Hennrich. „Mit Biden verbinde ich viel Hoffnung.“ Das Verhalten Trumps nach der Wahl empfinde er hingegen als „irritierend“: „Vor allem wie brachial er das Ergebnis anzweifelt.“

Die großen Themen wie Corona, Klimawandel, Migration und die Weltwirtschaft können mit Biden als Präsidenten nun wieder gemeinsam angegangen werden. „Jetzt kann Amerika wieder die Führung übernehmen.“ Besonders gespannt ist Hennrich auf die neue Vizepräsidentin: „Kamala Harris war beim Parteitag der Demokraten auch meine Favoritin.“

Bei aller Euphorie dürfe man aber auch das Wahlergebnis nicht außer Acht lassen: „Trump hat viel Zustimmung bekommen. Ihm haben nicht nur Protestwähler ihre Stimme gegeben. Das zeigt, dass viele Themen nicht zur Zufriedenheit der Menschen gelöst wurden.“

„Amerika kann wieder die Führung übernehmen“

Michael Hennrich, CDU-MdB

Hennrichs Parteikollege Markus Grübel, CDU-Bundestagesabgeordneter für den Wahlkreis Esslingen, ist angesichts des „am Ende doch klaren Sieges“ erleichtert: „Die USA können nun zu einem geregelten Regierungshandeln zurückkehren. Das war unter Trump nicht mehr gegeben.“ Dass Trump sich noch erfolgreich zum Sieg klagen könnte, glaubt Grübel nicht: „Ich hoffe, dass ihm politische Freunde und Familie ins Gewissen reden und so eine geordnete Regierungsübergabe möglich sein wird.“

Aber auch dem Weltklima werde Trumps Abwahl guttun: „Zollstreitigkeiten können nun beigelegt und ein neues Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA geschlossen werden.“

Doch die Zeiten, in denen die USA als Weltpolizei aufgetreten sind und schützend ihre Hand über Europa gelegt haben, werden auch unter Biden nicht zurückkommen, ist sich Grübel sicher: „Was bleiben wird ist, dass wir mehr Verantwortung in sicherheitspolitischen Fragen übernehmen müssen. Deutschland muss sich dieser neuen Rolle bewusst werden. Die USA werden sich gut überlegen, wo sie agieren und wo nicht.“

Zuversicht nach der Wahl auch bei Renata Alt, FDP-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Nürtingen: „Für uns in Deutschland und Europa eröffnet sich damit die Chance, das angespannte transatlantische Verhältnis wieder zu stärken. Unter Trump waren die USA weder ein verlässlicher noch zugänglicher Partner.“ Mit Biden übernehme nun „ein alter Profi“ das Ruder. „Dass endlich wieder Expertise ins Weiße Haus einzieht, stimmt mich optimistisch“, so Alt.

Man dürfe sich aber keiner Illusion hingeben: „Trotz des Machtwechsels im Weißen Haus ist nicht mit einem vollständigen Kurswechsel in der Außen-, Sicherheits- und Handelspolitik zu rechnen.“ Ähnlich wie Grübel fordert auch sie von Europa und speziell von Deutschland, mehr Verantwortung zu übernehmen: „Zu lange haben wir uns in Europa darauf ausgeruht, dass die USA einen Großteil der Verantwortung getragen haben. Dafür gibt es auch in der amerikanischen Gesellschaft nur noch wenig Verständnis.“

Nach Meinung des SPD-Bundestagsabgeordneten Nils Schmid ist die Wahl Bidens zum US-Präsidenten ein „großer Fortschritt für die Demokratie in den USA und für die Beziehungen zwischen den USA und Deutschland“. Bei dieser Wahl habe einiges auf dem Spiel gestanden: „Nämlich die Vorbildwirkung Amerikas als Leuchtturm der Demokratie.“

Zwischen den USA und Europa werde es weiterhin Meinungsverschiedenheiten geben. „Aber die können nun wieder unter Freunden ausdiskutiert werden. Wir spielen wieder im selben Team.“

„Trump hat ein Trümmerfeld hinterlassen“

Nils Schmid, SPD-MdB

Schmid hat Biden bei der Münchener Sicherheitskonferenz im vergangenen Jahr selbst erlebt. „Damals hatte er versprochen, dass die USA wieder zu einer Regierung zurückkehren werden, die auf Bündnisse und transatlantische Freundschaft setzt. Er hat sein Versprechen gehalten.“

Auch mit Biden werde es harte Verhandlungen geben. „Auch unter ihm wird es klare Forderungen aus den USA geben, aber die werden auf eine zivilisierte Art und Weise ausdiskutiert.“

Deutliche Worte findet Schmid für den scheidenden Präsidenten: „Trump hat mit seiner aggressiven und demokratieverachtenden Politik ein Trümmerfeld hinterlassen.“

Ein ähnliches Zeugnis stellt auch der Grünen-MdB Matthias Gastel Trump aus: „In seiner Amtszeit hat Trump großen Schaden für die Demokratie, den gesellschaftlichen Zusammenhalt in seinem Land und die Beziehungen zu den Verbündeten angerichtet. Es ist gut, dass Trumps Präsidentschaft absehbar endet.“

Dass er sich ohne eine Mehrheit und ungeachtet der noch laufenden Auszählungen selber zum Wahlsieger erklärt hatte, „schadete dem Vertrauen in die Institutionen und war respektlos gegenüber den Wählerinnen und Wählern“, so Gastel: „Sein Nachfolger wird innen- wie außenpolitisch Scherben aufkehren und Vertrauen wieder herstellen müssen.“

Auch Gastel fordert ein souveräneres Europa gegenüber den USA: „Wir müssen beim fairen Handel, dem Klimaschutz und vielen weiteren wichtigen Aufgaben wie der Digitalisierung selbstbewusster auftreten.“