Nürtinger Zeitung

Gastronomen aus dem Landkreis Esslingen diskutieren mit Staatssekretär

Gastronomen aus dem Landkreis Esslingen diskutieren mit Staatssekretär

02.05.2020 05:30, VON BARBARA GOSSON —

Thomas Bareiß (CDU), parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, im Videochat mit Hoteliers und Gastronomen

Hotellerie und Gastronomie als Branche, die vom Kontakt der Menschen miteinander lebt, sind gerade durch die Corona-Krise besonders gebeutelt. Die CDU lud die Gastronomen im Kreis dazu ein, sich mit ihren Fragen an Thomas Bareiß, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, zu wenden.

In einer Videokonferenz trafen Gastronomen, Hoteliers, die Abgeordneten Michael Hennrich und Markus Grübel und Staatssekretär Bareiß zusammen, insgesamt über 30 Teilnehmer. Moderiert wurde die Runde von Thaddäus Kunzmann, dem Vorsitzenden des CDU-Kreisverbandes Esslingen.

Ein Anlass für die große Videorunde war unter anderem ein offener Brief von Nicole Domon, Geschäftsführerin des Köngener Hotel-Restaurants Schwanen, an den CDU-Abgeordneten Markus Grübel, in dem sie drastisch schildert, wie ihr Betrieb unverschuldet in die Schieflage geriet. Sie fordert einen Rettungs- und Entschädigungsfonds sowie einen reduzierten Mehrwertsteuersatz.

Zur Person Thomas Bareiß

Geboren am 15. Februar 1975 in Albstadt-Ebingen; evangelisch; verheiratet.

1994 Abitur am Wirtschaftsgymnasium in Albstadt-Ebingen; 1994 bis 1995 Wehrdienst bei der Luftwaffe; 1995 bis 1998 Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Berufsakademie Ravensburg, Abschluss als Diplom-Betriebswirt (BA).

1990 Eintritt in die Junge Union (JU); seit 1994 Mitglied der CDU; seit 2002 Mitglied im Landesvorstand der CDU Baden-Württemberg; seit 2011 Bezirksvorsitzender CDU Württemberg-Hohenzollern; seit Dezember 2018 Mitglied im CDU-Bundesvorstand.

1999 bis 2008 Mitglied im Gemeinderat Meßstetten; 2004 bis 2013 Mitglied im Kreistag Zollernalb.

Seit 2005 Mitglied des Bundestages; seit 2009 Beisitzer im Vorstand der CDU/CSU-Fraktion; seit März 2018 parlamentarischer Staatssekretär für Wirtschaft und Energie.

Quelle: Bundestag

Weitere Themen, die die Gastronomen bewegen, sind die Verlängerung von Krediten, konkrete Öffnungsperspektiven, Situation der Auszubildenden, Reform der Mehrwertsteuer bis hin zur Betriebsausfallversicherung.

Bareiß erläuterte zunächst Grundsätzliches zu den Überlegungen der Bundesregierung, wie den Branchen geholfen werden könnte. Immerhin werden an die Ministerien gerade von vielen Seiten Wünsche und Forderungen nach finanzieller oder anderer Unterstützung herangetragen.

Immerhin spricht mit der Gastrobranche eine, die bundesweit 2,4 Millionen Beschäftigte hat, das sind dreimal mehr als in der Automobilindustrie. In der Region herrsche große Unsicherheit und Ungeduld in der Frage, wann und unter welchen Bedingungen die Betriebe wieder öffnen, wann Messen und Kongresse wieder stattfinden können.

Bareiß machte den Gastronomen wenig Hoffnung, dass sie schnell wieder auf das Niveau der vergangenen Jahre kommen. Der Staatssekretär fürchtet, dass gerade die kleinen Familienbetriebe, die für das soziale Miteinander in den Ortschaften so wichtig sind, nicht überleben: „Wenn sie weg sind, kommen sie nie wieder.“ Schon aus sozialer und regionaler Verantwortung sollten diese Betriebe erhalten bleiben.

Schnell für Zahlungsfähigkeit bei den Betrieben sorgen

Der parlamentarische Staatssekretär verwies auf alles, was von Seiten der Politik bereits geschehen ist, von der Grundsicherung für Minijobber über das Kurzarbeitergeld für die Angestellten zur schnellen Schaffung von Liquidität und das Stunden von Steuern und Beiträgen. Die Programme der staatlichen KfW-Bank seien zu 98 Prozent bewilligt worden und auch die Hausbanken geben kurzfristig Geld, ohne eine Fortführungsprognose zu verlangen. Eine Abzahlung der Kredite innerhalb von zehn Jahren hält Bareiß für darstellbar. „Ich habe nur Sorge, dass aus der Liquiditätskrise eine Schuldenkrise wird.“ Denn die Gastronomen hätten keine so hohen Gewinnspannen, dass noch ein unplanmäßiger Kredit drin wäre.

Ein wichtiges Signal für die Branche sei die geplante Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Speisen, die im Restaurant verzehrt werden. Sie trete am 1. Juli in Kraft. Es sei ein Fehler, diese auf ein Jahr zu beschränken, vielmehr müsse eigentlich die ganze Mehrwertsteuer mit ihren vielen logischen Fehlern auf den Prüfstand.

Es würden derzeit mehrere Modelle der Hilfe für die Gastronomie geprüft, konkret werde es in den nächsten Wochen. Ein Hoffnungsschimmer könnte sein, dass viele im Sommer auf Fernreisen verzichten und stattdessen ihr Urlaubsgeld in Deutschland ausgeben. Auch die in den Herbst verlegten Konfirmationen könnten den Gastronomen wieder Umsätze bringen.

Weitere Vorschläge, wie ihnen am besten zu helfen wäre, hatten die Gastronomen selbst. So sei es nicht hilfreich, wenn bei laufenden Krediten zwar die Zinsen ausgesetzt werden, dafür jedoch die Tilgungsrate steigt, findet Nicole Domon. Dirk Iserlohe, Vorstandsvorsitzender der Kette Dorint-Hotels, von denen es auch eines in Leinfelden-Echterdingen gibt, schlug vor, dass es nicht nur Kündigungsschutz und Aussetzung der Mietzahlungen geben solle, sondern sich Besitzer und Nutzer einer Immobilie das finanzielle Risiko in einem Solidarpakt teilen. Außerdem sollte den Banken erlaubt werden, nicht gezahlte Kapitaldienste an das Ende zu stellen.

Bareiß kennt das Problem. Immerhin sei die Frist von 90 auf 180 Tage angehoben worden, bevor es ein Problem mit der Bank wegen der Bedienung eines Kredites gebe. Die Idee eines Solidarpaktes findet er spannend und schlüssig, möchte sich jedoch vorher fachlichen Rat holen.

Die Versicherungen zahlen nicht, weil Corona nicht in der Police steht

Ein anderer Teilnehmer der Konferenz rechnete vor, dass 70 Prozent der Übernachtungen in Stuttgart auf Geschäftsreisen entfallen, 36 Prozent seien Tagungen. Diese würden langfristig geplant und es herrsche große Unsicherheit. Hier fehlen ihm klare Vorgaben der Politik zu Hygiene- und Abstandsregeln.

Die Regierung sei gerade dabei, sich die einzelnen Branchen und ihre Bedürfnisse anzuschauen, entgegnete Bareiß: „Wir wissen noch nicht, wann gelockert wird, aber wir wollen bis dahin fertige Pläne in der Schublade haben.“

Heike Kauderer, die ein Hotel in Bad Boll betreibt, möchte wissen, was mit Auszubildenden ist, die jetzt mit der Lehre fertig sind und übernommen werden sollen. Fallen sie dann unter das Kurzarbeitergeld? Eine Frage, die Bareiß nicht abschließend beantworten konnte.

Melanie Kübler-Strobel vom Hotel Fuchsen in Kirchheim merkte an, dass die Betriebsschließungsversicherung derzeit nicht bezahle, weil das Virus nicht in der Police aufgeführt ist. Ein anderer Kollege berichtete, dass die Versicherungen 15 Prozent anbieten, wenn man die annehme, verfallen alle weiteren Ansprüche. „Damit werden sich noch die Gerichte befassen“, ist sich Bareiß sicher.

Markus Reuss vom „Schwanen Bräu“ in Bernhausen wies darauf hin, dass nicht nur Hotels Hygiene können, sondern auch die Gaststätten. Er rechnet nicht vor dem vierten Quartal mit einer Normalisierung. Kauderer möchte gerne abends öffnen und Frühstück anbieten dürfen, denn mittags gebe es ja schon Kantinen, Bäckereien und Metzgereien: „Die ziehen jetzt an uns vorbei.“

Wann es wieder losgeht? Ein Hotelier vermutete am 1. Juli, weil da die Mehrwertsteuersenkung in Kraft tritt. Doch dem widersprachen die Abgeordneten: Das sei nur die Frist, um das Gesetz zu beschließen. Sonst würden die Entscheidungen von Woche zu Woche und mit Blick auf die Infektionszahlen getroffen. Somit könne das weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Der Staatssekretär zeigt einen möglichen Fahrplan auf, nach dem zuerst die Ferien- und Zweitwohnungen wieder freigegeben werden sollen. Hotels und Restaurants müssten gemeinsam geöffnet werden, alleine, weil sie zusammenhängen. Bei Schließung von Bar und Wellnessbereich könnten wieder Kongresse geplant werden. „Es wird wohl länger brauchen, bis man an alte Erfolge anknüpfen kann.“ Er hofft, dass das vor dem vierten Quartal stattfinden wird.

Die Hoteliers und Gastronomen waren froh, dass sie beim Staatssekretär und den Abgeordneten ein offenes Ohr bekamen, auch wenn es wohl mit den Öffnungen der Gaststätten noch ein wenig dauern wird.