Nürtinger Zeitung

Der 1. Mai im Zeichen des Corona-Virus

Der 1. Mai im Zeichen des Corona-Virus

30.04.2020 05:30, —

Die Bundestagsabgeordneten aus dem Verbreitungsgebiet unserer Zeitung zum Tag der Arbeit in Pandemie-Zeiten

Michael Hennrich, CDU-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Nürtingen: Das Coronavirus hat unsere Welt in kürzester Zeit komplett auf den Kopf gestellt. Deutschland steht vor einer Herausforderung historischen Ausmaßes. Für mich haben das Wohl und die Gesundheit jedes Einzelnen dabei höchste Priorität. Dennoch gilt es, auch die wirtschaftlichen Konsequenzen im Blick zu behalten. Mit Milliarden-Hilfspaketen unterstützt das Bundesfinanzministerium Unternehmen jetzt in der Krise direkt. Aber es gibt auch einige Bereiche, die wir nachjustieren und verbessern müssen. Wir wollen alles Erforderliche tun, um Arbeitsplätze und Unternehmen zu erhalten. Wichtig ist dabei das Kurzarbeitergeld. Auch wenn es mit Einkommenseinbußen verbunden ist, ist es doch die Alternative zu kurzfristigen Entlassungen und hoher Arbeitslosigkeit.

Bereits jetzt kann man wichtige Lehren für die Zeit nach der Krise ziehen. Strukturen der Arbeitswelt können sich wandeln, Regionalität wieder an Bedeutung gewinnen, digitale Geschäftsmodelle weiterentwickelt und agile Arbeitsmethoden eingeführt werden.

Dr. Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Nürtingen: Im Lichte der Corona-Krise ist der Tag der Arbeit sehr relevant. Die Pandemie wird Arbeit und Wirtschaft nachhaltig verändern. In den letzten Wochen war es das oberste Ziel, Schaden von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern abzuwenden, für ihre Sicherheit zu sorgen und materielle Ausfälle aufzufangen. Mit Kurzarbeit, Ersatz von Verdienstausfällen, Steuerbefreiungen bei Sonderzahlungen und Direkthilfe für Selbstständige und Kleinstunternehmen haben wir die ärgste Not gelindert.

Nun gilt es, über neue Wege und Strategien nachzudenken, wie es weitergehen soll. Oberste Priorität haben die Sicherheit und die Gesundheit der Beschäftigten. Ich sehe die massive Ausweitung von Testkapazitäten und regelmäßige Tests als entscheidend an, um das schrittweise Hochfahren von sozialem und wirtschaftlichem Leben mit dem nötigen Gesundheitsschutz zu vereinbaren. Auch für die Zeit nach der Hochphase der Pandemie muss der Arbeitnehmerschutz im Fokus bleiben. Vor allem muss es dauerhafte, positive Veränderungen bei Berufsgruppen geben, die gerade besonders belastet werden.

Es wird auch Veränderungen in der Weltwirtschaft geben. Das gilt auch für Produktionsketten und -orte. Wir sehen, dass es wichtig ist, nicht jede Produktion auszulagern. Gleichzeitig müssen wirtschaftlicher Austausch und globale Kooperation weiter möglich sein, das ist gerade für die deutsche Exportwirtschaft und den Erhalt von Arbeitsplätzen unverzichtbar.

Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Wahlkreis Nürtingen: Die Coronakrise zeigt, worauf es ankommt: Solidarität, Rücksicht auf die Schwächeren, Verantwortung für die Mitmenschen, Vorfahrt für die Gesundheit. Es ist weitaus mehr als ein Zeichen, dass derzeit so viele diese Werte leben und damit dazu beitragen, das Virus zurückzudrängen und Menschenleben zu retten. Besonders dankbar sind wir in diesen Tagen denen, die unsere Versorgung mit Lebensmitteln und die Behandlung der Kranken sicherstellen. Oft sind es diejenigen, die nicht die höchsten Gehälter beziehen, aber mehr verdient hätten. Wir treten dafür ein, dass Beschäftigte, die schon zuvor von niedrigen Einkommen leben mussten und nun in Kurzarbeit geraten sind, mit einem sozial gestaffelten Kurzarbeitergeld keine aufstockende Grundsicherung beantragen müssen. Das Kurzarbeitergeld soll auf bis zu 90 Prozent erhöht werden. Die Krise hat auch deutlich gemacht, wie groß das Potential für Heimarbeit ist. Wir wollen, dass es ein Recht auf mobiles Arbeiten gibt, sofern keine wichtigen Gründe dagegen sprechen. Für einige Beschäftigte erleichtert dies die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, ermöglicht mehr Selbstbestimmung über die Zeit und es sorgt für weniger Verkehr.

Die Coronakrise ist mit Todesfällen, vielen Einschränkungen und oft auch materiellem Verzicht verbunden. Eine der Lehren sollte sein, dass das Gesundheitswesen gestärkt und für mehr Lohngerechtigkeit gesorgt werden muss. Darüber hinaus wird die Digitalisierung als Chance für eine moderne Arbeitswelt einen Schub erfahren.

Renata Alt, FDP-Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Nürtingen: Die Corona-Pandemie wird trotz zahlreicher Hilfsprogramme ihre Spuren hinterlassen – in Deutschland und auch unserem Landkreis Esslingen. Die Krise zeigt uns nicht nur, wie verwundbar wir sind, sondern auch, dass vieles geht, was zuvor unmöglich schien: Zum Beispiel von zu Hause aus arbeiten zu können und damit weder die eigene noch die Gesundheit der Anderen zu gefährden. Hierfür brauchen wir aber auch den Mut für entsprechende gesetzliche Regelungen: ein Gesetz für einen Anspruch auf Arbeit von zu Hause und ein flexibles Arbeitszeitgesetz. Stechuhren und starre Arbeitszeiten sind Relikte der Vergangenheit und sollten dort auch bleiben. Ein Arbeitsrecht im digitalen Zeitalter muss Raum für Flexibilität und Selbstbestimmung lassen. Der Wandel der Arbeitswelt zeichnet sich schon seit langer Zeit ab und wird momentan deutlicher denn je. Wir müssen die Zukunft jetzt gestalten – auch in der Arbeitswelt.

Markus Grübel, CDU-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Esslingen: Der Tag der Arbeit soll daran erinnern, die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken. „Die Wirtschaft soll dem Menschen dienen, nicht der Mensch der Wirtschaft“: Dieser Satz von Konrad Adenauer ist heute noch Leitbild christlich-demokratischer Politik und sollte für alle Entscheider oberstes Gebot sein. Es gilt auch die Arbeitnehmerrechte in den Ländern zu schützen und zu stärken, die beispielsweise für den deutschen Markt Bekleidung produzieren. Viele Unternehmen stornieren wegen der Krise ihre Aufträge. In Corona-Zeiten bekommen die Arbeiter in den weltweiten Textilfabriken weder Soforthilfen noch Kurzarbeitergeld ausbezahlt, soziale Sicherungssysteme fehlen. Durch den Kauf von fair gehandelten Produkten unterstützt man die Erzeuger unmittelbar und durch die garantierten Mindestpreise haben sie ein geregeltes Einkommen.