Landesverbandstag von Haus & Grund Württemberg in Reutlingen
Sehr geehrte Damen und Herren, am vergangenen Wochenende fand in Reutlingen der Landesverbandstag von Haus & Grund Württemberg statt. Michael Hennrich wurde bei den Wahlen mit 100% der Stimmen im Amt bestätigt; im folgenden lesen Sie einen ausführlichen Bericht zum Landesverbandstag –>
Mehr Bauland, weniger Bürokratie
Als Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg vertritt Roger Kehle 1.061 Mitgliedsstädte und -gemeinden, die insgesamt rund 7 Millionen Einwohner zählen. Beim Landesverbandstag von Haus & Grund Württemberg in Reutlingen kritisierte er den „Paragraphendschungel“ bei der Ausweisung neuer Baugebiete. Kehle plädierte angesichts des zu erwartenden Bevölkerungswachstums im Land für ein entschlosseneres Handeln der Politik – und für steuerliche Sonderabschreibungen, die Investitionen privater Häuslesbauer beflügeln.
In der Spreuerhofstraße gibt es ein kleines Schild, auf das die Reutlinger mächtig stolz sind. „Engste Straße der Welt“, steht dort. An der schmalsten Stelle ist das Nadelöhr gerade mal 31 Zentimeter breit. Um einen Engpass anderer Art, nämlich jenen auf dem Wohnungsmarkt, ging es beim Landesverbandstag von Haus & Grund Württemberg, der in diesem Jahr aus gutem Grund in der Reutlinger Stadthalle abgehalten wurde: Genau vor hundert Jahren hat im Hotel Harmonie eine kleine Gruppe vorausdenkender Köpfe den Ortsverein von Haus & Grund in einer Zeit gegründet, die gleichfalls von Wohnraummangel geprägt war. Heute zählen die Reutlinger fast 4000 Mitglieder, wie der Vorsitzende Uwe Alle in seinem Grußwort bemerkte. Anno 1918 war es der satzungsmäßige Zweck des Vereins, die Rechte der Haus und Grundbesitzer zu wahren. Dieses Anliegen ist aktueller denn je, wie sich beim Landesverbandstag offenbarte.
Mehr als 650 Mitglieder kamen aus allen Himmelsrichtungen an den Fuß der Schwäbischen Alb, um sich vor Ort bei strahlendem Sonnenschein über die politische Großwetterlage für private Immobilieneigner zu informieren. Wohnraum ist ein knappes Gut geworden. In 27 der 44 baden-württembergischen Stadt- und Landkreise übersteigt die Nachfrage das Angebot teilweise deutlich. Neu ist dabei, dass der Wohnungsmangel inzwischen nicht mehr allein nur Haushalte mit geringem Einkommen betrifft, sondern auch Besserverdiener abschreckt, nach Stuttgart, Böblingen, Ludwigsburg, Freiburg oder Konstanz zu ziehen. Wer aus Nord- oder Ostdeutschland in den Südwesten umsiedelt, erhält für den Preis seines stattlichen Einfamilienhauses in der Heimat hier gerade mal eine Zweizimmerwohnung. Da kommt so mancher, dessen Arbeitskraft hierzulande dringend gebraucht würde, ins Grübeln.
Ein Thema, mit dem sich auch Reutlingens Oberbürgermeisterin Barbara Bosch seit langem beschäftigt. „Es bereitet uns Sorge, dass preiswertes Bauen heute fast nicht mehr möglich ist“, sagte sie in ihrem Grußwort. Die ehemalige Reichsstadt wachse jährlich um rund 1000 Einwohner. Die Kommune habe deshalb das Ziel ausgegeben, 500 neue Wohneinheiten pro Jahr zu schaffen. Dies sei in den vergangenen drei Jahren auch gelungen, allerdings habe die Stadt mittlerweile selbst kaum noch kaum noch freie Flächen. Umso wichtiger sei es, dass private Investoren weiterhin die Grundlage dafür hätten, sich finanziell zu engagieren, sagte sie an die Adresse der in der Reutlinger Stadthalle versammelten Eigentümer.
Das durchschnittliche Mitglied von Haus & Grund Württemberg ist 66 Jahre alt und besitzt fünf Wohnungen. „Die privaten Vermieter sind es, die den Wohnungsmarkt stabil halten“, sagte Kai. H. Warnecke, Präsident von Haus & Grund Deutschland, der von Berlin nach Reutlingen gekommen war. Er nutzte bei seinem Grußwort die Gelegenheit, für eine erhöhte Aufmerksamkeit zu werben für das, was bundespolitisch in den nächsten Jahren ansteht. Der Koalitionsvertrag sei an einigen Stellen „sehr unpräzise“, mahnte Warnecke und verglich die aktuelle Lage mit der Debatte in einer Familie, die sich entweder neue Stühle oder einen Tisch kaufen möchte. Weil es darüber Streit gibt, was wichtiger ist, vereinbart sie den Kauf von Möbeln. Als es dann losgeht zum Möbelhaus, muss die Familie die vertagte Entscheidung erneut diskutieren.
Immerhin, so bemerkte Warnecke positiv, hätten die Koalitionäre in Berlin die sogenannte kleine Modernisierung beschlossen. Danach können Modernisierungen bis zu 10.000 Euro leichter auf den Mieter umgelegt werden. „Wer in kleinen Schritten modernisiert, soll künftig auch die Möglichkeit haben, die Miete ohne viel Papierkram erhöhen zu können“, sagte Warnecke, der auch auf das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Grundsteuer einging. Danach verstoßen die Einheitswerte für die mehr als 35 Millionen Grundstücke und Immobilien in Deutschland gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Die seit Jahrzehnten nicht mehr angepassten Einheitswerte für Grundstücke sind laut dem Urteil überholt und führten zu Ungleichbehandlungen. Bis 2019 soll laut Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung geschaffen werden, über die aktuell viel diskutiert wird. Warnecke plädiert dafür, nicht die anfechtbaren Bodenrichtwerte zum Maßstab zu nehmen, sondern stattdessen die Größe des Grundstücks und die Fläche des Gebäudes als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.
Mit diesem Vorstoß liegt der Präsident ganz auf der Linie von Michael Hennrich, der als Vorsitzender von Haus & Grund Württemberg für 58 Ortsvereine mit 101.300 Mitgliedern steht. Baden-Württemberg sei das Bundesland mit dem größten Bevölkerungszuwachs nach dem Krieg, noch vor Bayern und Hessen, erklärte Hennrich. Bis zum Jahr 2035 sei laut diverser Prognosen mit weiterer Zuwanderung nach Baden-Württemberg zu rechnen. Vor diesem Hintergrund müsse dringend mehr gebaut werden, doch tatsächlich sei die Zahl der Baugenehmigungen zwischen Dezember 2016 und Dezember 2017 um 13 Prozent zurückgegangen. Es fehle das nötige Bauland und das Bauen sei insgesamt zu teuer, prangerte der Jurist an. Vor allem Bauvorschriften müssten dringend entrümpelt werden. Allein durch die ständige Erhöhung energetischer Standards seien die Baukosten in den vergangenen zehn Jahren um 49 Prozent gestiegen“, sagte Henrich, der seit 2008 ehrenamtlicher Vorsitzender von Haus & Grund Württemberg ist. Dabei hatte die große Koalition auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle vor zwei Jahren schon einmal die energetischen Standards gesenkt, auf dass die öffentliche Hand schneller bauen und Wohnraum für diese Personengruppe schaffen kann. Doch statt diesen Weg konsequent weiterzugehen, hätte die Verantwortlichen der Mut verlassen.
Was die Rendite privater Bauinvestitionen betrifft, sieht Hennrich dunkle Wolken aufziehen, wenn nicht gehandelt wird. Er zitierte Gutachten, wonach in den vergangenen zehn Jahren beispielsweise in Berlin die Neubaupreise um 139 Prozent stiegen, die Mieten im gleichen Zeitraum um 73 Prozent, in Frankfurt/Main um 105 bzw. 37 Prozent, in Stuttgart um 96 bzw. 42 Prozent. Selbst in seiner Heimatgemeinde Kirchheim/Teck sei dieser Trend vergleichbar, die Zahlen aber niedriger. Dort stiegen die Baupreise um 40 Prozent, die Mieten um 24 Prozent. Vor diesem Hintergrund plädiert Hennrich entschieden dafür, künftig mehr Bauland auszuweisen und zugleich weniger Vorschriften zu erlassen. So muss aus seiner Sicht nicht zwingend vorgeschrieben werden, wie viele Fahrradstellplätze vorzusehen sind, wenn private Investoren ein Haus bauen und welche Bodenbeläge sie für ihre Tiefgarage zu verwenden haben. Hennrich wirbt stattdessen für mehr Freiheit, die sich kostensparend nutzen lässt. Zudem plädiert der CDU-Bundestagsabgeordnete dafür, dass ein Ersterwerb von der Grunderwerbsteuer befreit wird: „Bei 400 000 Euro Neubaukosten oder Kaufpreis wären das in Baden-Württemberg bei 5 Prozent Grunderwerbsteuer 20 000 Euro. Das würde jungen Familien sofort zugutekommen“, sagte Hennrich.
Ein Weiter-so könne man sich gerade in Baden-Württemberg nicht leisten. Jedes Jahr würden im Land letztlich mehr als 20.000 Wohnungen zu wenig gebaut. Deshalb sei mehr politischer Mut und Gestaltungswille gefordert „Wir brauchen einen richtig großen Wurf“, forderte Hennrich. Dazu gehöre für ihn allerdings nicht die seit Herbst 2015 im Südwesten geltende Mietpreisbremse. „Sie bringt ein hohes Maß an Unsicherheit bei denen, die sie anwenden müssen.“ Er baue deshalb darauf, dass die politisch angekündigte Bewertung ihre mangelhafte Wirkung und Fehlsteuerung offen zutage treten lassen wird. „Ich hoffe, dass die Mietpreisbremse zum Ende des Jahres abgeschafft wird.“
Mit komplizierten Vorschriften und Verfahren, welche die Dinge schwieriger statt einfacher machen, beschäftigt sich seit vielen Jahren auch Roger Kehle, Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg und Gastredner beim diesjährigen Landesverbandstag von Haus & Grund. Der Gemeindetag ist der größte kommunale Landesverband in Baden-Württemberg. Er vertritt die Interessen der kommunalen Selbstverwaltung gegenüber Landtag, Landesregierung und Öffentlichkeit. Darüber hinaus informiert und berät er seine Mitgliedsstädte und –gemeinden und steht den Kommunen bei der Bewältigung ihrer Aufgaben zur Seite. Die Tagesarbeit wird verstärkt auch durch den Umstand geprägt, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Nach Ansicht von Kehle wird sich der Mangel in einigen Regionen noch verschärfen, wobei er zu Vorsicht mahnte, wenn es um Prognosen geht. 2008 habe das Statistische Landesamt vorausgesagt, dass mittelfristig 500.000 Menschen weniger in Baden-Württemberg leben würden. 2017 sei hingegen ein Bevölkerungswachstum von bis zu 1,5 Millionen Einwohner prognostiziert worden. Und tatsächlich sei Baden-Württemberg 2016 allein um 163.000 Einwohner gewachsen.
Da sei es wenig verwunderlich, das der Wohnraum zum knappen Gut werde. „Alle, die der Auffassung sind, dass die Öffentliche Hand die Probleme allein löst, liegen falsch“, mahnte Kehle. „Der Immobilienmarkt ist wie leergefegt.“ Es vergehe kaum ein Tag, an dem nicht neue Strategien zur Schaffung von mehr Wohnraum diskutiert würden. Allerdings seine manche davon wenig hilfreich. So kritisierte Kehle offen den Ruf des Tübinger Rathauschefs Boris Palmer nach einem verschärften Baugebot, um Besitzer unbebauter Grundstücke zum Bauen zu zwingen. „Wo kämen wir da hin?“, grollte der Verwaltungsfachmann. „Dies ist ein Eingriff ins Privateigentum.“ Kehle machte einen anderen Vorschlag. Statt eine Steuer zu verlangen oder bürokratischen Zwang anzuwenden, halte er es für eine bessere Möglichkeit, auf die Grundstücksbesitzer mit dem Vorschlag zuzugehen, dass die Kommunen die betreffenden Parzellen für zehn Jahre mit einfachen Modulbauten bestücken. Für diese Zwischennutzung würden die Eigentümer eine Entschädigung bekommen und hätten nach zehn Jahren ihr Grundstück wieder, um es beispielsweise an den bis dahin volljährigen Enkel zu überschreiben.
Diese Idee des Gemeindetagspräsidenten löste vernehmliches Raunen im Saal aus, was sich auch als Beleg dafür werten lässt, dass Theorie und Praxis oft nicht ganz so leicht in Einklang zu bringen sind. Roger Kehle, vormals Bürgermeister in Wernau, hat damit durchaus Erfahrung. Es sei gar nicht so einfach, mal eben neues Bauland auszuweisen, erklärte er dem Publikum. Schreite eine Kommune zur Tat, begebe sie sich selbst in den Bürokratiedschungel und müsse mindestens 40 Träger öffentlicher Belange hören. „Ein neues Baugebiet zu erschließen, ohne dass eine Bürgerinitiative dagegen wäre, ist mittlerweile nahezu ausgeschlossen“, sagte Kehle. Seien alle diese Hürden nach einem langen und aufwändigen Prozess geschafft, sei es für die Kommunen längst nicht damit getan, neue Grundstücke auszuweisen und Häuser bauen zu lassen. Zusätzlich braucht es neue Straßen, auch neue Kindergärten oder fußläufig erreichbare Einkaufsmöglichkeiten. „Zu glauben, man könnte einfach mal ein Baugebiet an die Kommune anhängen und schon sei alles geregelt, ist zu einfach“, so Kehle.
Immerhin habe der Bund jetzt einige Dinge auf den Weg gebracht, die seine Hoffnung nährten. Dazu gehörten die vereinfachte Ausweisung von Baugebieten, außerdem zwei Milliarden Euro für sozialen Wohnungsbau und auch die zeitlich befristete steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten. „Das ist endlich mal eine gute Lösung“, bekräftigte Kehle mit Blick auf private Investoren. Noch allerdings stehe dieser Vorschlag lediglich im Koalitionsvertrag. Am Ende plädierte der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg im Einklang mit den Vertretern des Eigentümerverbands dafür, den Wohnbau im Land deutlich zu beschleunigen. „Lasst uns aufhören, immer nur mit Wattebäuschen zu werfen“, forderte Kehle. Es gebe zwar politisch gesehen kleine Fortschritte, aber die Frage sei, ob diese angesichts des wachsenden Drucks auf den Wohnungsmarkt genügen. Die Antwort lieferte der Gastredner postwendend selbst: „Nein, sie werden nicht ausreichen!“