Pragmatisch und doch offenen Ohres
Pragmatisch und doch offenen Ohres
Bundestagswahl 2017: Der Nürtinger CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich strebt seine fünfte Wahlperiode an
„Mir sind Gespräche mit Betroffenen oder Fachleuten vor Ort wichtiger als Treffen mit Lobbyisten in Berlin“, sagt der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich. Bei zwei Gesprächsterminen in Kirchheim, das zu seinem Wahlkreis Nürtingen gehört, begleiteten wir ihn nicht nur in die vertrauten Gefilde des Gesundheitsbereichs, sondern auch in den Eine-Welt-Laden.
In der Geschäftsstelle der Betriebskrankenkasse (BKK) Scheufelen in Kirchheim hat Hennrich ein Heimspiel, nicht nur weil er in der Teck-Stadt mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen wohnt. BKK-Vorstand Bernd Kratschmer und sein Stellvertreter Wolfgang Allgaier bestätigen, dass es auch außerhalb des Bundestagswahlkampfs regelmäßigen Kontakt mit dem Mitglied im Bundestagsausschuss für Gesundheit gibt.
Hennrich betont, für alle Kassen offen zu sein, macht aber auch keinen Hehl daraus, dass ihm regionale Akteure wie zum Beispiel die BKK Scheufelen oder die BKK Voralb besonders am Herzen liegen. Die Mitglieder profitierten von der Nähe, so Vorstand Kratschmer. Klein bedeute nicht weniger leistungsfähig, weiß Hennrich und verweist auf die Spitzenplätze, die gerade auch die BKK Scheufelen regelmäßig im Ranking der bundesweit rund 120 Krankenkassen belege.
Beim nächsten Termin im Welt-Laden, dessen Mitglieder strengere gesetzliche Vorgaben für ein Mehr an fairem Handel fordern, wird Hennrich dann immer wieder betonen, dass die CDU eher auf Anreize als auf Vorgaben setze. Dass er aber ein grundsätzlicher Gegner staatlicher Regulierung sein könnte, widerlegt er schon bei der BKK. Er verweist zum Beispiel auf die Fälle von Absprachen zwischen Ärzten und Kassen, an deren Ende Patienten kränker dargestellt werden, als sie sind. So profitiere der Arzt von einem höheren Entgelt und die Kasse durch Mehreinnahmen aus dem Risikostrukturausgleich, der ungleiche Risiken durch unterschiedliche Mitgliederstrukturen ausgleichen soll.
„Bei solchen Praktiken muss der Gesetzgeber nachjustieren“, so Hennrich, und ist sich damit einig mit den beiden BKK-Vertretern, die solches als wettbewerbsverzerrend kritisieren. Obendrein, so Allgaier, kann das auf Kosten von Patienten gehen, zum Beispiel bei einem angestrebten Kassenwechsel oder wenn es darum geht, eine Lebensversicherung zu bekommen. Hennrich hält daher bei den in der kommenden Legislaturperiode anstehenden Verhandlungen zum Strukturausgleich eine stärkere Kontrolle für einen wichtigen Punkt, am besten angesiedelt beim Bund statt bei den Ländern.
Um der auch ihm gegenüber oft beklagten Ungleichbehandlung von gesetzlich und privat Versicherten im ambulanten Bereich entgegenzusteuern, hält Hennrich eine Zusammenführung der Gebührenordnung für praktikabel. Zum Verhältnis von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen, deren Grund Allgaier in der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sieht, meint Hennrich: „Im Moment ist ein kleines Ungleichgewicht zu verkraften, sollte es aber zu höheren Beitragssteigerungen kommen, die das Verhältnis noch mehr zu Ungunsten der Beschäftigten verschieben, müsste gegengesteuert werden.“ Da kommt der Sozialpolitiker durch, ist Hennrich doch auch stellvertretendes Mitglied im Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales.
Man kann zu seinen politischen Positionen stehen wie man will, doch eines kann man dem 52-Jährigen, der 2002 in den Bundestag einzog und jetzt seine fünfte Legislaturperiode anstrebt, nicht unterstellen: Dogmatismus. So beteuert er denn auch: „Mir ist die Aufnahme von Informationen, gerade auch im Detail, sehr wichtig, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können.“ Intensive tägliche Zeitungslektüre und das Studium von Unterlagen gehöre für ihn ebenso dazu wie das direkte Gespräch. So zeigt er sich im Eine-Welt-Laden recht kenntnisreich, auch wenn er gegenüber den Mitgliedern des Betreibervereins gleich betont, dass er auf diesem Gebiet kein Fachmann sei und eigentlich Neuland betrete. Er wisse auch, dass er hier nicht unbedingt auf Stammwähler treffe. Dennoch seien ihm diese Gespräche wichtig, gewinne er doch Einblicke in andere Sichtweisen – und mittelfristig vielleicht doch neue Wähler?
Auch auf ungewohntem Terrain zum offenen Gespräch bereit
So einfach ist es dann nicht. Im Laden selbst werden zwar recht bald die neuen Ansätze des CSU-Entwicklungshilfeministers Gerd Müller gelobt, gleichzeitig aber auch als bloße Willensbekundungen mit zu wenigen Verbindlichkeiten abgetan. Über Zollbestimmungen zugunsten von besseren Wirtschaftsstrukturen in afrikanischen Ländern lässt Hennrich mit sich reden, über die Vergabe von Hermesbürgschaften an Firmen, geknüpft an Bedingungen zu fairem Handel ebenso, fairen Handel mit dem Vergaberecht zu erzwingen, hält er jedoch nicht für praktikabel. Das sei rechtlich schwierig und außerdem schwer nachprüfbar „Anreize Ja, zu viele Gebote Nein“, ist sein Credo.
Hennrich gelingt es schnell, eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, in der es den Anschein hat, dass sich seine Gegenüber ernst genommen fühlen. Dazu trägt auch Offenheit bei. Zur Entwicklungspolitik bekennt er: „Ich dachte lange, die sei in Ordnung, aber gerade auch die Flüchtlingskrise hat mich doch zu neuen Sichtweisen gebracht.“ Menschen eine Existenz in ihren Heimatländern zu sichern, sei das Gebot der Stunde, davor dürfe sich die Politik nicht drücken, vor allem auch im europäischen Kontext. Bei der Flüchtlingspolitik seien pragmatische Ansätze gefragt, das unterscheide von den Populisten.
Heirich gehört nicht zu den Wadenbeißern seiner Partei, das wird bei den Begegnungen deutlich. Aber auch nicht zu denen mit parteiinternen aufrührerischen Gedanken. Er versucht mit seinen Ansichten Stück für Stück voranzukommen. Aufdringlichkeit ist ihm fremd, Wahlkampf an der Haustüre lehnt er ab. Auf der Straße taucht er schon auf, doch betont er: „Jeder muss die Möglichkeit haben, vor mir davonzukommen.“