Nürtinger Zeitung

„Die Bahn muss sich dem Thema stellen“

„Die Bahn muss sich dem Thema stellen“

08.03.2017, VON SYLVIA GIERLICHS —

Landrat sowie Bundestags- und Landtagsabgeordnete schalten sich in die Diskussion um die Lkw-Fahrten im Lenninger Tal ein

Der Beginn der Arbeiten am Albvorlandtunnel ist voraussichtlich im Spätsommer. Fräst sich die Bohrmaschine erst einmal ins Erdreich zwischen Kirchheim und Wendlingen, könnten bis zu 500 Lkws täglich die Steinbrüche in Grabenstetten, Hülben und Erkenbrechtsweiler anfahren.

Diese Nachricht, erstmals im vergangenen Jahr anlässlich einer Bürgerinfo in Kirchheim und dann nochmals in diesem Jahr bei der Bürgerinfo in Dettingen/Teck kommuniziert, hat die Bürgermeister der betroffenen Kommunen mit einigem Entsetzen und Ärger erfüllt (wir berichteten). Denn sie selbst und ihre Bürger waren davon nicht, oder doch nur über die Berichte der lokalen Zeitungen informiert worden. Sie hatten auch erst aus der Zeitung von den Veranstaltungen in Kirchheim und Dettingen erfahren.

Und so wandten sich Bürgermeisterin Verena Grötzinger aus Owen und ihr Kollege Michael Schlecht aus Lenningen in einem Schreiben an die Bundes- und Landtagsabgeordneten und den Esslinger Landrat Heinz Eininger, um sich von ihnen Unterstützung zu holen. Zum einen wollten die beiden Bürgermeister erreichen, dass so wenige Lkw-Fahrten wie möglich über die B 465 abgewickelt werden. Zum anderen beklagten sie die schlechte Informationspolitik gegenüber ihren Kommunen.

Ob dieses Hilferufs reagierten die Abgeordneten prompt. Der Kirchheimer Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz (Grüne) wandte sich mit einem Schreiben an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. „Da die ICE-Neubaustrecke Teil eines Bundesprojektes ist, ist Dobrindt zuständig“, erklärte Schwarz diesen Schritt. Zuständig sieht er aber auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann, da das Land Baden-Württemberg Projektpartner des Bahnprojekts Stuttgart 21 ist. Auch Hermann erhielt daher einen Brief von Schwarz. Darin fordert der Fraktionsvorsitzende der Grünen vor allem, dass der Abtransport des Erdaushubs vorwiegend über die Autobahn erfolgen sollte. Dabei ist Schwarz durchaus klar, dass das Lenninger Tal nicht völlig verschont werden kann. Er wünscht sich, dass die Bahn zeitnah ein Abfuhrkonzept vorlegt, was er auch Georg Brunnhuber, dem Vorsitzenden des Vereins Bahnprojekt Stuttgart–Ulm, in einem weiteren Schreiben mitgeteilt hat.

Auch der Kirchheimer SPD-Landtagsabgeordnete Andreas Kenner wandte sich an die Projektgesellschaft für das Bahnprojekt Stuttgart–Ulm und Verkehrsminister Winfried Hermann. Dass sich die Bürgermeister wegen der vielen Lkw-Fahrten Sorgen machen, versteht Kenner voll und ganz. „Die Toleranz der Bürger ist bei einem so großen Projekt das A und O“, sagt er auf Nachfrage der Nürtinger Zeitung. 70 Prozent der Menschen im Lenninger Tal hätten bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 im Jahr 2011 für das Projekt gestimmt. Dies zeige deutlich, dass die Bevölkerung auch hinter der Neubaustrecke stehe. Für Kenner ist klar: Die Bahn muss sich diesem Thema stellen. „Die Bürgermeister der Gemeinden bekommen zig Anfragen ihrer Bürger zu diesem Thema. Sie müssen derzeit den Kopf hinhalten für etwas, das sie nicht zu verantworten haben“, sagt der SPD-Abgeordnete.

„Ich glaube, dass der Weg des Dialogs der bessere sein wird“

Michael Hennrich, MdB

Für den Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich (CDU) ist das Thema nicht neu. Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte er sich auf Wunsch der betroffenen Gemeinden im Lenninger Tal an die Projektgesellschaft gewandt. Er wies bereits damals auf die 18 500 Fahrzeuge (davon 1100 Lkws) hin, die die B 465 täglich passieren. „Schwer vorstellbar ist für mich, dass im Minutentakt zusätzlich Lkws mit dem Erdaushub auf dem Weg auf die Schwäbische Alb durch Owen fahren“, so Hennrich damals. In einem neuerlichen Schreiben bat Hennrich nun darum, nicht nur im persönlichen Gespräch mit den betroffenen Bürgermeistern, sondern auch in einer öffentlichen Bürgerversammlung die Planungen nochmals darzulegen und zu erläutern. „Ich glaube, dass dieser Weg des Dialogs der bessere sein wird, weil sich Fragen dann gleich klären lassen“, schreibt Hennrich.

Genau wie sein Kollege Hennrich hat sich auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold bereits im vergangenen Sommer an die Projektgesellschaft und nun neuerlich an die Bahn gewandt mit der Bitte, den Anwohnern und Gemeinden ein Entsorgungskonzept vorzustellen. Gegenüber der Nürtinger Zeitung äußerte Arnold, dass es natürlich unumgänglich sei, gewisse Lasten mitzutragen, doch verlangt er eine gerechte Verteilung der Lasten während der rund zwei Jahre, in denen der Tunnel gebaut werden wird. Wichtig ist ihm, dass die Bahn ihre Planungen transparent darlegt.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel geht davon aus, dass die Bahn die Aushubmengen kennt, die täglich aus dem Tunnel kommen. Und auch weiß, wie viel Aushub die in Frage kommenden Deponien überhaupt aufnehmen könnten. Denn die Vereinbarungen, die mit den Deponien getroffen würden, könnten nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. „Die Bahn weiß auch in etwa, welches Erdmaterial beim Albvorlandtunnel auf sie zukommen wird. Schließlich wurden im Vorfeld bereits Probebohrungen gemacht“, sagte Gastel.

Indes, möglicherweise ist genau dies nicht so ganz einfach. Denn das Erdmaterial, das aus dem Tunnel kommt, wird zunächst, noch auf der Baustelle, klassifiziert. Das heißt, es wird überprüft, welche Deponie geeignet ist, das gerade ans Tageslicht beförderte Material überhaupt aufzunehmen. Denn nicht jede Deponie kann oder darf jedes Material aufnehmen.

Und genau deswegen will Landrat Heinz Eininger auch zunächst verwaltungsintern die Zwangsläufigkeiten und Möglichkeiten bezüglich der Abfuhr des Aushubs ermitteln. Über die Lösungsansätze der Bahn habe die Landkreisverwaltung keine detaillierten Informationen. Was die Kommunikation über den Transport zu den Steinbrüchen auf der Schwäbischen Alb betrifft, sagte Eininger: „Ich helfe gerne mit, die Kommunen und die Bahn an einen Tisch zu bringen.“

Beurener Schultes fürchtet, Status als Erholungsort zu verlieren

Der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann verwies in seiner Stellungnahme gegenüber der Nürtinger Zeitung nochmals auf seinen vor Jahren geführten Kampf, den Aushub quasi als Lärmschutzwall entlang der Autobahn ablagern zu können. Allerdings hätte der Kreisbauernverband damals erfolgreich Einspruch erhoben. Auch die Überlegung, die stillgelegte Bahnstrecke zwischen Weilheim und Kirchheim wieder zu aktivieren, habe keinen Erfolg gehabt – „aus mir nicht bekannten Gründen“, wie Zimmermann sagt. Er kündigte an, das Thema innerhalb der CDU-Fraktion nochmals anzusprechen.

Zu den drei Bürgermeistern aus Owen, Lenningen und Erkenbrechtsweiler gesellt sich nun zudem mit Beurens Schultes Daniel Gluiber ein weiterer Bürgermeister. Er macht sich Sorgen um das Prädikat der Gemeinde Beuren als einzigem staatlich anerkannten Erholungsort mit Heilquellenbetrieb im Landkreis Esslingen. Dieses Prädikat ist daran gekoppelt, dass möglichst geringe Emissionen den Ort belasten. Er weist zudem darauf hin, dass die Landesstraßen 1210 (zwischen Owen und Beuren) und 1254 (Beurener Steige) für dieses Volumen an Schwerlastverkehr nicht gebaut seien.

Die Pressemitteilung der Bahn zum Abtransport des Aushubs aus dem Albvorlandtunnel ist im nebenstehenden Artikel veröffentlicht.