Nürtinger Zeitung

Mehr Sicherheit und ein starkes Europa sind gefragt

So sehen Volksvertreter aus unserem Verbreitungsgebiet das abgelaufene Jahr und die Herausforderungen der kommenden Monate

Wetterkapriolen mit katastrophalen Folgen, der Brexit, das Ankommen des Terrors im eigenen Land, der Krieg in Syrien, die US-Präsidentenwahl, das Erstarken der Rechtspopulisten – das Jahr 2016 war aus Sicht unserer Abgeordneten ein problematisches Jahr. Nun gelte es, die anstehenden Herausforderungen anzunehmen und gemeinsam Problemlösungen zu erarbeiten.

(vh) Volksvertreter dreier Wahlkreise sind für die Gemeinden im Verbreitungsgebiet der Nürtinger Zeitung/Wendlinger Zeitung zuständig: Bundestagsabgeordnete der Wahlkreise Nürtingen und Esslingen, außerdem Landtagsabgeordnete der Wahlkreise Nürtingen, Kirchheim und Esslingen. Im Folgenden die Neujahrsbotschaften der Abgeordneten. Es fehlt der Neujahrsgruß des Esslinger SPD-MdL Wolfgang Drexler.

Michael Hennrich MdB (CDU), Wahlkreis Nürtingen: „Dieses Jahr war weltweit – aber auch in unserem Land – geprägt von Gewalt, Angst und fehlendem Sicherheitsgefühl. Viele Bilder werden uns lange nicht loslassen, ganz gleich ob aus Berlin, Freiburg, Nizza, aber auch aus Aleppo oder der Türkei, wo teilweise Krieg gegen das eigene Volk geführt wird. Die westliche Staatengemeinschaft muss jetzt zusammenrücken und bereit sein, ihre Werte und ihre Errungenschaften gemeinsam – und darauf liegt die Betonung – gegen diese Gefahren zu verteidigen. Gerade der jüngste Anschlag in Berlin macht viele von uns wütend und zornig. Auch mich. Aber Wut und Zorn sind schlechte Ratgeber und helfen nicht weiter. Besonders gefährlich ist es, Dingen ihren Lauf zu lassen, betreten wegzuschauen oder Gefahren zu verharmlosen beziehungsweise zu relativieren. Das untergräbt das Vertrauen in unseren Staat. Deshalb wird 2017 eine Bewährung für den Rechtsstaat werden: Bleibt er handlungsfähig? Kann er geltendes Recht durchsetzen? Und ahndet und verfolgt er konsequent Regelverletzungen? Nur wenn dies gewährleistet ist, bleibt Platz, Hilfe denjenigen zu gewähren, die unseren Staat achten und die auf Hilfe angewiesen sind. 2017 wird ein Jahr wichtiger Entscheidungen, allen voran bei der Bundestagswahl. Angela Merkel hat sich in der global immer komplexer werdenden Welt als Anker und Garantin einer freiheitlichen und liberalen Weltordnung erwiesen. Wir in der Union möchten deshalb mit ihr an der Spitze weiter Verantwortung übernehmen.“

Rainer Arnold MdB (SPD), Wahlkreis Nürtingen: „Die Mehrzahl der Menschen bewertet das abgelaufene Jahr für sich persönlich positiv. Mit Blick auf die aus den Fugen geratene Welt machen sich bei vielen Menschen Sorgen und Ängste breit. Die letzten Monate zeigen auf traurige Weise: Die Folgen der Kriege haben auch uns erreicht. Und die Bilder, die uns aus Syrien erreichen, sind herzzerreißend. Aber es gibt sie nicht, die einfachen Lösungen. Internationale Politik ist kompliziert. Nicht schwarz oder weiß, sondern viele Abstufungen von grau in grau. Umso wichtiger bleibt, dass immer wieder auch mit schwierigsten Partnern gesprochen wird, um Frieden zu erreichen. Jedoch ist auch klar, dass man dort, wo menschenverachtender Terror herrscht und Diplomatie keine Chance hat, auch mit militärischen Mitteln den sogenannten Islamischen Staat zurückdrängen muss. Die Kriege, aber auch die Chancenlosigkeit in vielen Teilen der Welt bringt viele Menschen dazu, ihre Zukunft in Deutschland zu suchen. Dies besorgt viele Bürger bei uns. Ganz besonders dann, wenn Einzelne schwere Verbrechen verüben. Das nutzen Rechtspopulisten, um mit stumpfen Plattitüden und menschenfeindlichen Forderungen einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Das ist brandgefährlich, denn aus Ausgrenzung und Nationalismus ist noch nie etwas Gutes entstanden. Deshalb müssen wir gerade jetzt unsere Demokratie aktiv verteidigen. Die Ursachen von Ungerechtigkeit bekämpft man nicht mit Parolen, sondern indem man ihre wirklichen Gründe benennt und beharrlich und demokratisch an deren Beseitigung arbeitet.“

Matthias Gastel MdB (Grüne), Wahlkreis Nürtingen: „Vieles verändert sich rasend schnell: Informations- und Kommunikationswege, unsere Arbeitswelt und einiges mehr. Die Gesellschaft läuft Gefahr auseinanderzudriften. Daran arbeiten rechte, populistische Kräfte ebenso wie diejenigen, die Falschnachrichten erfinden, um über hohe Klickzahlen ihre Werbeeinnahmen zu steigern. Fakten werden ignoriert und von ,gefühlten Wahrheiten‘ verdrängt. Medien werden als ,Lügenpresse‘ verleumdet, weil sie nicht die eigene Wahrnehmung wiedergeben. Ich bin sehr froh, in einem Land zu leben, in dem jeder die eigene Meinung vertreten kann. Vorher jedoch nachzudenken – auch darüber, ob jemand beleidigt wird – kann nicht zu viel verlangt sein. Werte wie die Achtung der Menschenwürde sind in unserer Verfassung festgeschrieben. Gewährleistet werden unsere Rechte aber nur dadurch, dass sie von allen hier lebenden Menschen aktiv gelebt und couragiert verteidigt werden. Hier sind wir alle in der Pflicht – in den Parlamenten, auf den Straßen, am Arbeitsplatz, im Verein und in den Wahlkabinen. Das wünsche ich mir für das neue Jahr: Aktive Menschen, die sich einmischen. Menschen, die Medien und der Politik gegenüber kritisch, aber nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehen. Und ich wünsche mir politisch in besonderer Verantwortung stehende Menschen, die verstärkt den Dialog suchen und offene, neugierige und aufgeschlossene Menschen vorfinden. Ich freue mich auf viele Begegnungen und von gegenseitiger Achtung geprägte Gespräche – auch und insbesondere mit Menschen, die andere Meinungen vertreten als ich.“

„Nur ein geeintes und handlungsfähiges Europa kann in der Welt von heute für seine wichtigen Grundwerte wirksam eintreten“

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident

Markus Grübel MdB (CDU), Wahlkreis Esslingen: „Beim Rückblick auf das vergangene Jahr wird schnell deutlich, 2016 war kein Jahr, in dem viel Zeit zum Durchatmen und Innehalten blieb. Zurückschauend werden den meisten Menschen Themen wie Terror, Flüchtlinge, Syrienkrieg, Putschversuch in der Türkei und das europaweite Erstarken populistischer Kräfte in den Sinn kommen, wenn sie an das vergangene Jahr denken. Auf den zweiten Blick wird jedoch auch deutlich, dass das hinter uns liegende Jahr nicht nur Grund zum Klagen bot. Ganz im Gegenteil. Die deutsche Wirtschaft lief rund und auch die Aussichten für das kommende Jahr sehen gut aus. Im Bund konnten wir zum vierten Mal in Folge einen schuldenfreien Haushalt beschließen. Der Arbeitsmarkt zeigte sich ebenfalls in bester Verfassung, 2016 hatten wir die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 25 Jahren! Auch beim Thema Flüchtlinge hat sich die Situation spürbar entspannt. Im Vergleich mit vielen europäischen Nachbarn steht Deutschland sehr gut da. Gleichwohl wird uns auch das kommende Jahr vor neue Herausforderungen stellen, die uns vieles abverlangen werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auch diese erfolgreich meistern werden. Unsere Werte und Überzeugungen, unser Rechtsverständnis und unsere starke Gesellschaft geben uns das nötige Rüstzeug.“

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident und MdL (Grüne), Wahlkreis Nürtingen: „Die Feiertage und der Jahreswechsel bieten die Gelegenheit, einmal aus der Hektik des Alltags herauszukommen, um sich zu besinnen und die Ereignisse des Jahres zu resümieren. Und das Jahr 2016 war ungemein ereignisreich. Themen wie die furchtbare Gewalttat in Berlin, die Flüchtlingsaufnahme, der Brexit, die Wahlen in Amerika, die hiesigen Unwetterschäden, die Landtagswahl und die Bildung der neuen grün-schwarzen Regierung haben uns beschäftigt. Angesichts der zunehmenden Polarisierung unserer Gesellschaft ist die neue grün-schwarze Koalition hierzulande die Regierung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt über klassische Lagergrenzen hinweg. Rechtspopulistische Parteien und Politikerinnen und Politiker stehen für Nationalismus und Abgrenzung, doch Baden-Württemberg steht für Pluralität und Offenheit. Diese Offenheit müssen wir weiterhin schützen – denn unsere freie Lebensweise ist stärker als der Hass von Fanatikern. Gleichzeitig müssen wir Acht geben, dass solche Taten wie die von Berlin nicht politisch instrumentalisiert werden. Viele der wichtigen Themen des vergangenen Jahres gingen auch weit über unsere Landesgrenzen hinaus. Die Europäische Union ist am Scheideweg angekommen. Für uns in Baden-Württemberg ist völlig klar, welchen Weg die EU einschlagen muss – und zwar in Richtung eines Mehr an Europa! Nur ein geeintes und handlungsfähiges Europa kann in der Welt von heute für seine wichtigen Grundwerte wirksam eintreten.“

Andreas Schwarz MdL (Grüne), Wahlkreis Kirchheim: „Die grüne Landtagsfraktion steht für eine Politik, die sich der Nachhaltigkeit und der Innovation verschrieben hat. Wir setzen uns für eine gesunde Umwelt, eine offene Bürgergesellschaft, für starke Familien und für eine innovative Wirtschaft ein. Im kommenden Jahr werden wir in Digitalisierung, Bildung und Mobilität investieren. Und wir machen keine neuen Schulden. Wir wollen Freiheit und Sicherheit für alle gewährleisten. Eine starke Polizei ist für uns der Garant für die innere Sicherheit. Im nächsten Jahr wollen wir das Verkehrsnetz weiter modernisieren. Mobilität für alle sichern wir durch den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Die neue Expressbuslinie von Kirchheim/Teck zum Flughafen Stuttgart ist ein gutes Beispiel hierfür. Mit dem Landeswohnraumförderungsprogramm fassen wir die soziale Wohnraumförderung und das Programm für Flüchtlingswohnen zusammen, um günstigen Wohnraum für alle zu schaffen. Bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die sich durch Briefe und persönliche Gespräche in die Politik eingemischt und eingebracht haben, bedanke ich mich ausdrücklich.“

Karl Zimmermann MDL (CDU), Wahlkreis Kirchheim: „Das zurückliegende Jahr brachte zahlreiche Herausforderungen. In Baden-Württemberg regiert erstmals eine grün-schwarze Landesregierung und sie zeigt wieder mehr und mehr die Handschrift der CDU. In der Bildungspolitik haben wir den Fokus wieder auf Qualität statt auf Strukturdiskussionen gelegt. Dies war längst überfällig und wurde von Lehrern und Eltern gleichermaßen gefordert. Im Innenressort hat Minister Thomas Strobl klare Worte in der Flüchtlingspolitik gefunden, auch wenn diese nicht überall gerne gehört wurden. Wenn Integration gelingen soll, dann muss die Konzentration unserer begrenzten Ressourcen ganz zwingend bei denjenigen stattfinden, die ein dauerhaftes Bleiberecht haben. Das wird eine unserer Hauptaufgaben in 2017 sein. Sorge bereiten mir die nach wie vor ungelösten Konflikte in der arabischen Welt und in Afrika, die zu weiteren Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa führen werden. In der Türkei beobachten wir problematische politische Entwicklungen, die sich auch äußerst negativ auf Europa und insbesondere unser Land auswirken können. Umso mehr ist die Europäische Union gefordert, mit klugen Entscheidungen und geschlossenem Handeln Antworten zu finden. Wir sind deshalb auch gut beraten, bei den anstehenden Wahlen Signale der Besonnenheit und Kontinuität zu senden. Problembeschreiber und Brandstifter bringen uns nicht weiter.“

„Aus Ausgrenzung und Nationalismus ist noch nie etwas Gutes entstanden“

Rainer Arnold, Bundestagsabgeordneter

Andreas Kenner MdL (SPD), Wahlkreis Kirchheim: „Was wird uns in zehn Jahren noch an 2016 erinnern? Der Abstieg des VfB Stuttgart, der Tod von David Bowie, Fidel Castro oder Walter Scheel? Aus politischem Blickwinkel betrachtet sind für mich das schlechte Landtagswahlergebnis der SPD, der Brexit, die US-Präsidentenwahl, das Referendum in Italien und die österreichischen Präsidentenwahlen herausragend. Dass auch im Jahre 2016 das Töten in Syrien auf grausamste Weise Alltag war, zeigt sehr deutlich, wie machtlos wir Deutschen und Europäer in der Welt sind. Die Global Player China, Russland und die USA vertreten massiv ihre Interessen und Europa verfällt in die alte Kleinstaaterei, nationalistische Populisten feiern Wahlerfolge. 100 Jahre nach dem Massensterben im Ersten Weltkrieg ist die Friedensmacht Europa in der Gefahr zu zerfallen. Uns in Baden-Württemberg geht es hingegen gut. Wir haben die höchste Beschäftigungsrate aller Zeiten, die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa, eine innovative Wirtschaft und kreative und engagierte Belegschaften. Was fehlt, sind Wohnungen, diese müssen jetzt zügig gebaut werden. Die Integration bleibt ein großes Thema. Ebenso die Wirtschaft 4.0. Nirgendwo anders gibt es so viele ehrenamtlich engagierte Menschen wie bei uns. Wir Baden-Württemberger packen die Herausforderungen der Zukunft an. Bei der Bundestagswahl 2017 gilt es, die Demokratie zu stärken.“

Andreas Deuschle MdL (CDU), Wahlkreis Esslingen: „Ein politisch turbulentes Jahr geht zu Ende. Der Brexit erschütterte Europa. Die Folgen der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten sind ungewiss. Auch in unserem Land haben sich mit dem Aufstieg der AfD die politischen Gewichte verschoben. Die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen stellt uns weiterhin vor enorme Herausforderungen. In der Gesellschaft wird eine zunehmende Polarisierung deutlich. Nicht nur bei uns, in ganz Europa ist eine Zerrissenheit spürbar. Gerade jetzt müssen wir uns auf unsere gemeinsamen Werte und Überzeugungen besinnen. Manch europäische Regelung mag Kopfschütteln auslösen. Wir alle sollten uns aber immer wieder daran erinnern: Die Europäische Union ist ein Garant des Friedens. Auch wenn wir Fehler einräumen müssen, die in Europa und Deutschland gemacht wurden, sind in diesem Jahr in Baden-Württemberg Erfolge zu verzeichnen. Die CDU hat sich in wichtigen Bereichen wie Bildung, Wirtschaft und der inneren Sicherheit durchgesetzt. Für das kommende Jahr werden keine neuen Schulden aufgenommen, keine Steuern erhöht. Ein großer Betrag wird in die Zukunft des Landes investiert. Wir sollten auch im kommenden Jahr gemeinsam alles daransetzen, den Zusammenhalt unseres Landes zu stärken. Er macht unsere Gesellschaft menschlich und erfolgreich – gerade in einer solch herausfordernden Zeit, in der wir leben.“

Andrea Lindlohr MdL (Grüne), Wahlkreis Esslingen: „Im vergangenen Jahr haben viele darüber nachgedacht, ob die Welt aus den Fugen gerät. Der grausame Krieg in Syrien, für dessen Ende wir Europäer wenig tun, das Abrutschen der Türkei in totalitäre Zustände, Europa und der Brexit, unsichere Verhältnisse in den USA und Terroranschläge bei uns – das ist schwer zu fassen. Deshalb sollten wir uns aber nicht von der Welt zurückziehen, sondern sie gestalten. Dazu leiste ich meinen Teil als Landtagsabgeordnete. Auch mit der neuen grün-schwarzen Koalition unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann arbeiten wir intensiv für unsere Sicherheit – so mit einer modernen Ausstattung der Polizei und einer besseren Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Als stellvertretende Vorsitzende und Sprecherin des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit und Wohnen meiner Fraktion arbeite ich an guten Rahmenbedingungen für Unternehmen und Beschäftigte und für eine soziale Wohnungspolitik. Den Wandel der Automobilindustrie zu Elektromobilität und Digitalisierung sehe ich als große Aufgabe der nächsten Jahre. Im Wahlkreis freue ich mich über den vom Land erreichten neuen stündlichen IRE-Zughalt in Esslingen und die Expressbusse von Esslingen nach Waiblingen und von Kirchheim über Denkendorf und Neuhausen nach Filderstadt. 2016 haben die Bürgerinnen und Bürger im Wahlkreis Esslingen mich mit über 32 Prozent erneut zu ihrer Volksvertreterin im Landtag gewählt und mir erstmals das Direktmandat übertragen. Dieser Erfolg ist mir eine Verpflichtung, sie weiterhin engagiert und aufrichtig zu vertreten.“