Die Rente sichern – aber wie?
Die Rente sichern – aber wie?
08.10.2016, VON HENRIK SAUER —
Diskussion mit dem Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich und dem Sozialwissenschaftler Gerhard Bäcker zeigt die Komplexität des Themas
Die Prognosen sind alles andere als rosig: Nach den Zahlen, die das Bundessozialministerium jüngst veröffentlichte, müssen Rentner nach 2030 noch mehr zurückstecken. Wie sicher ist unsere Rente, zu dieser Frage hatte die IG Metall Esslingen am Donnerstagabend zu einer Diskussion eingeladen.
NÜRTINGEN. Das Thema hat sehr viele Facetten. Und wenn an diesem Abend im Panoramasaal der Stadthalle K3N eines deutlich wurde, dann dass es keine einfache Lösung für dieses Problem geben wird.
Und wohl auch keine schnelle. Geht man schon in Wahlkampfposition, oder gibt es bei diesem Thema noch gemeinsame Ziele in der Großen Koalition, wollte Moderatorin Uschi Götz, Journalistin beim Deutschlandradio, von Michael Hennrich, dem Nürtinger CDU-Bundestagsabgeordneten wissen. Er gehe davon aus, „dass wir an ein paar Stellschrauben noch drehen werden“, sagte Hennrich, aber ein Konzept für über 2030 hinaus werde man wohl nicht mehr hinbekommen. Hingegen warnte Professor Dr. Gerhard Bäcker, Senior-Professor am Institut für Arbeit und Qualifikation an der Uni Duisburg-Essen, das Thema auf die lange Bank zu schieben: „Die Zeit drängt.“ Wenn man warte, werde das Rentenniveau weiter absinken.
Ein zentraler Punkt einer Rentenreform müsse sein, das Rentenniveau auf dem heutigen Stand zu stabilisieren, forderte Bäcker. Aktuell liegt es bei 47,8 Prozent. Bis 2030 droht ein Absinken auf 43 Prozent, laut Sozialministerium werde es bis 2045 auf 41,6 Prozent sinken, wenn der Gesetzgeber nicht gegensteure. Eine Stabilisierung des Rentenniveaus sei aber mit steigenden Beiträgen verbunden, das müsse man den Menschen ehrlich sagen, so Bäcker. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hatte vor wenigen Tagen auf langfristig steigende Rentenbeiträge eingestimmt.
Michael Hennrich plädierte hingegen dafür, nicht so sehr den Prozentsatz des Rentenniveaus in den Vordergrund zu stellen, sondern wie man Menschen mit einer niedrigen Rente und niedrigen Einkommen besserstellen könne. Dies vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Personen, die im Alter auf Grundsicherung oder Erwerbsminderungsrente angewiesen sind, weiter steigen werde. So halte er es für „fatal“, dass private Vorsorge und Betriebsrenten auf die Grundsicherung angerechnet werden.
„Der Mindestlohn muss weiter erhöht werden“
Um Altersarmut zu verhindern, sei es notwendig, bereits im Erwerbsleben anzusetzen, sagte Professor Bäcker: „Wer im Erwerbsleben auf Grundsicherung angewiesen ist, wird dies auch im Alter sein.“ Dies gelte auch für Niedriglohn-Arbeitsverhältnisse. „Der Mindestlohn war ein wichtiger Schritt, aber er muss weiter erhöht werden“, so Bäcker.
Der Senior-Professor sieht auch die „Strategie“ der Bundesregierung, verstärkt auf Betriebsrenten als Ergänzung zur gesetzlichen Rente zu setzen, als problematisch an. „Betriebsrenten sind kapitalmarktabhängig“, so Bäcker. Sprich, es sei unsicher, dass die erforderliche Rendite erwirtschaftet werden kann. Dies gelte ebenso für Riester-Renten, die zudem „extrem teuer“ seien. Laut Michael Hennrich spielt das Thema Riester-Rente in der politischen Debatte keine große Rolle mehr, sagte er.
Aus dem Publikum wurde das Thema angeschnitten, dass auf Betriebsrenten und Renten aus berufsständischen Versorgungswerken der volle Krankenkassenbeitrag bezahlt werden muss. Eine Kritik, die Michael Hennrich teilt: „Das wird von vielen als ungerecht empfunden.“ Er habe deshalb vorgeschlagen, bevor man über neue Ansprüche diskutiere wie zum Beispiel bei der Mütterrente, vorher solche Dinge zu ändern, die eine private Altersvorsorge unattraktiv machten.
Dem in dieser Woche von Baden-Württembergs Verbraucherschutzminister Peter Hauk ins Spiel gebrachten Vorsorgekonto unter dem Dach der gesetzlichen Rentenversicherung steht Gerhard Bäcker skeptisch gegenüber: „Auch das muss finanziert werden.“ Er sprach sich für eine weiterhin umlagefinanzierte Rentenversicherung aus.
Wie umfangreich dieses Themengebiet ist, wurde durch die weiteren Punkte deutlich, die an dem Abend auch aus dem Publikum – rund 30 Zuhörer waren gekommen – angesprochen wurden. So das Renteneintrittsalter oder die Einbeziehung von Beamten und Selbständigen in die gesetzliche Rentenversicherung. Einen Konsens zu finden, werde schwierig, fasste Jürgen Groß von der IG Metall Esslingen die Diskussion zusammen. Die Gewerkschaft werde an ihrer Position festhalten, die da laute: kein weiteres Absenken des Rentenniveaus, ein Anstieg der Renten in gleichem Maß wie die Löhne und keine Rente mit 67. Denn mit Letzterem, so Groß, „werden wir uns nie anfreunden“.