Pflegeberufe sollen attraktiver werden
18.06.2016, VON UWE GOTTWALD —
Nürtingens Bundestagsabgeordneter Michael Hennrich lud zum Fachgespräch mit Vertretern aus der Praxis und der Politik
Die Ausbildung in der Krankenpflege und in der Altenpflege soll generalisiert und zusammengelegt werden. Dazu ist ein neues Pflegeberufegesetz in Vorbereitung. Der CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Nürtingen, Michael Hennrich, erörterte in einem Gespräch mit Fachleuten aus der Praxis und dem Experten seiner Fraktion die Probleme dazu.
Ziel der CDU-SPD-Koalition im Bund ist es, ein attraktiveres Berufsbild zu schaffen, um dem Fachkräftemangel in den Pflegeberufen entgegenzuwirken. Was bis jetzt jedoch als Entwurf für ein neues Pflegeberufegesetz auf dem Tisch liegt, stößt vor allem bei Vertretern aus der Altenpflege auf Skepsis bis hin zu Ablehnung. Sie befürchten, dass sich damit der Fachkräftemangel in ihrem Bereich noch verstärkt. Hennrich, Obmann seiner Fraktion im Gesundheitsausschuss, bekennt: „Es gibt noch offene Fragen.“
Um sich ein schärferes Bild zu machen, lud er am Mittwochnachmittag Vertreter von Pflegeeinrichtungen und Pflegeschulen ebenso wie Vertreter aus dem Krankenhauswesen und von Krankenpflegeschulen zu einem Fachgespräch in die Räume des Unterensinger Pflegeheims „Daheim“ ein. Mit Erwin Rüddel hatte sich Hennrich den Berichterstatter seiner Fraktion für die Pflegepolitik als Experten hinzugeholt.
Auch Rüddel zeigte sich skeptisch gegenüber dem, was bisher vom Bundeskabinett als Entwurf gutgeheißen wurde. Positiv sei zunächst einmal, dass Schulgeld, wie es in sechs Bundesländern noch Praxis ist, abgeschafft werden soll. Doch sieht er auch das Problem unterschiedlicher Vergütungssysteme, weshalb er nicht glaubt, dass dieselbe Ausbildung automatisch dieselbe Vergütung nach sich zieht. Die Altenpflege sei aus der Pflegeversicherung als einer Teilkasko-Versicherung finanziert, die Krankenpflege aus der Krankenversicherung als einer Vollkaskoversicherung, weshalb Krankenpflege besser vergütet werde, so Rüddel.
Ein großes Problem sieht Rüddel im Mangel an Ausbildungsplätzen in der Kinderkrankenpflege, die ebenfalls in dem generalisierten Berufsbild aufgehen soll. Eine weitere Befürchtung sei, dass dem generalisierten Berufsbild die Ausbildungspläne der Krankenpflege mit ihren höheren Anforderungen gegenüber der Altenpflege übergestülpt werden. Schon jetzt seien es fast nur Abiturientinnen in der Kinderkrankenpflege, 70 Prozent mit demselben Schulabschluss und fast 30 Prozent mit Realschulabschluss bewerben sich für die Krankenpflege, Auszubildende mit Hauptschulabschluss gebe es so gut wie nicht.
Experten fordern: Neues Berufsbild braucht auch neue Bildungspläne
Dagegen seien ein Drittel in der Altenpflege Auszubildende mit Hauptschulabschluss, in der Regel allerdings mit vorangegangenen weiteren Qualifikationen. An diese Gruppe, so Rüddel, könnte eine generalistische Ausbildung zu hohe Anforderungen stellen, sie könnten als Auszubildende für die Pflegeberufe verloren gehen, was in Anbetracht des Fachkräftemangels nicht hingenommen werden könne. Gleichzeitig wolle man aber ein gutes Niveau in der Krankenpflege.
Hans Schollenberger, Leiter der Krankenpflegeschule des Landkreises, und Yvonne Thoma, als Abteilungsleiterin verantwortlich für die Ausbildung in der Altenpflege an der Nürtinger Fritz-Ruoff-Schule, berichteten von ihrer Kooperation im Rahmen eines Modell-Projekts zur generalistischen Ausbildung. Für Schollenberger geht es bei einer Reform darum, dass völlig neue Bildungspläne aufgestellt werden, die alle Seiten mitnehmen. Dem stimmte auch Gernot Adolphi, Leiter des Pflegebildungszentrums der Filderklinik zu, an dem es seit einigen Jahren ein ähnliches Modellprojekt gibt. Er räumte ein, dass weniger Absolventen letztlich in die Altenpflege gehen. „Und das nicht, weil ihnen die Altenpflege weniger liegt, sondern weil der Druck hoch ist.“ Die Not in der Altenpflege sei groß, so Adolphi, doch lasse sich das auch nicht mit einer Ausbildungsreform ändern.
Das sieht auch Rüddel so. Abhilfe könnte eventuell ein Altenhilfe-Förderprogramm schaffen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Er gehe jedenfalls mit neuen Erkenntnissen aus diesem Fachgespräch nach Berlin. Hennrich glaubt, dass man auf dem richtigen Weg sei, die Beispiele aus Baden-Württemberg mit seiner größeren Durchlässigkeit im Bildungssystem und den Erfahrungen aus den Modellprojekten könnten bei der Lösung sicher eine wichtige Rolle spielen.