Nürtinger Zeitung

„Du warst ein Superrepräsentant der SPD“

„Du warst ein Superrepräsentant der SPD“

30.10.2017, VON SYLVIA GIERLICHS —

Der Nürtinger SPD-Bundestagsabgeordnete Rainer Arnold beendete Politkarriere mit 67 Jahren – Gabriel als Überraschungsgast

Nach 19 Jahren, fünf Amtsperioden, sechs Verteidigungsministern, 1171 Plenarsitzungen und 537 Sitzungen des Verteidigungsausschusses verabschiedete sich Rainer Arnold, SPD-Bundestagsabgeordneter im Wahlkreis Nürtingen, im Untereinsinger Udeon in den Ruhestand. Überraschend schaute auch Außenminister Sigmar Gabriel bei der Abschiedssause vorbei.

Das erste Lied („Gut, wieder hier zu sein“ von Hannes Wader) war verklungen und der SPD-Kreisvorsitzende Michael Beck hatte die lange Liste der Ehrengäste (darunter Nils Schmid, Ute Vogt, Leni Breymaier, Wolfgang Drexler, der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich und etliche Bürgermeister, nicht nur von der SPD) vorgelesen, da ging ein lautes „Wow“ durch die Reihen der etwa 300 Gäste, die zu Rainer Arnolds Verabschiedung gekommen waren. Denn durch den Mittelgang schritt ein ganz besonderer Gast: Außenminister Sigmar Gabriel hatte es sich nicht nehmen lassen, Arnold seine Wertschätzung für 19 Jahre Arbeit im Deutschen Bundestag auszudrücken. „Das Dankesagen in der SPD ist ja . . . wie soll ich es ausdrücken . . . jedenfalls wenn es geschieht, freut man sich besonders“, sagte Gabriel und, ja, Rainer Arnold freute sich sehr über den Überraschungsgast. Handyfotos, Selfies, kleine Videos zeugten davon, dass auch die übrigen Gäste es genossen, einen Politstar einmal aus der Nähe zu sehen.

„Rainer Arnold ist eine besondere Persönlichkeit im Bundestag und wird dort auch fehlen. Er war einer, der eine eigene Meinung hatte und die, zum Leidwesen des deutschen Außenministers, auch kundtat. Und wenn man anderer Meinung war, änderte sich daran nichts“, sagte Gabriel und bescheinigte dem Nürtinger Bundestagsabgeordneten, der Verantwortung nie ausgewichen zu sein – ein Politiker mit Bodenhaftung und Weitblick. Bodenhaftung auch deswegen, weil Arnold von der Basis kommt, den Ortsverein Wolfschlugen und den Kreisverband geführt hatte, bevor er 1998 erstmals in den Bundestag gewählt worden war.

Verteidigungspolitik: Einer musste es machen

Die Verteidigungspolitik sei kein Wohlfühlthema. Es gehe um Leben und Tod – „nicht das eigene Leben, sondern das von anderen. Du hast mit einer Erfahrung und Sensibilität dafür gesorgt, dass wir als Abgeordnete die Entscheidung über die Entsendung nach bestem Wissen und Gewissen treffen konnten“, so Gabriel. Und Arnold habe sich immer gefragt: Wie werde ich meiner Verantwortung am Besten gerecht. Bei der Entsendung der Truppen wie bei der Ausstattung der Peshmerga mit deutschen Waffen und Munition.

Dabei, so sagte Arnold selbst, habe er sich um den Posten als verteidigungspolitischer Sprecher der SPD nicht gerissen. „Einer musste es machen und es hieß: Rainer Arnold, du bist es.“ Bonmots wie dieses waren in einem 17-minütigen Zusammenschnitt diverser Fernsehaufnahmen zu hören, die auf das politische Leben des Rainer Arnold zurückblickten.

Leni Breymaier, seit der Bundestagswahl Abgeordnete des Wahlkreises Aalen-Heidenheim: Arnold habe sich hochgearbeitet. Nicht nur vom Vorsitzenden des Ortsvereins Wolfschlugen zum verteidigungspolitischen Sprecher des Bundestags, sondern auch auf der Landesliste der SPD-Bundestagskandidaten. Von Platz 29 im Jahr 1998 bis auf Platz 5 im Jahr 2013. „Ich bin froh, dass du dieses Jahr nicht kandidiert hast, sonst wäre es eng geworden“, scherzte Breymaier. Mit 67 Jahren habe er sich für die Rente entschieden, das sei in Ordnung. Menschlichkeit, Energie und Kollegialität hätten Arnold ausgezeichnet. „Du warst ein Superrepräsentant für die SPD, und darauf sind wir alle stolz“, sagte die Vorsitzende der Landes-SPD.

Nein, Talkshows waren es nicht, die Rainer Arnold als Ort der politischen Auseinandersetzung wählte. Doch in einer Art Mini-Talkrunde beantwortete er die Fragen des freien Journalisten Theo Rombach. Dabei blickte er – wie immer, möchte man sagen – nach vorne und plädierte dafür, für Veränderungen offen zu sein. „Nur wenn sich unser Land ständig verändert, werden wir Wohlstand und Freiheit erhalten können“, lautet sein Rat. Ob er das Leben als Abgeordneter für ein erstrebenswertes Leben halte? „Wir machen das ja freiwillig. Wer es nicht will, soll es lassen“, lautete Arnolds Antwort.

Ein kurzweiliger Nachmittag, bei dem die Musik nicht zu kurz kommen durfte. Und so sang der Gitarrist Werner Dannemann „I gründ a Partei“. Und Rainer Arnold den Tom-Waits-Klassiker „Time“. Auf Schwäbisch. Und als alle Gratulanten gesprochen hatten und der Staffelstab an Nachfolger Nils Schmid übergeben war, da setzte sich Rainer Arnold auch noch ans Schlagzeug. Mit den Gitarristen Rüdiger Gelhausen und Werner Dannemann, Horia Ioan (E-Piano), Johannes Stortz (Posaune) und dem Kirchheimer SPD-Landtagsabgeordneten Andreas Kenner (Mundharmonika) gab er eine schwäbische Version des Blues-Brother-Hits „Sweet home Chicago“ zum Besten. „Dahoim“ lautete die Mundartversion, in der viel von Wolfschlugen, den Hexenbannern und dem Sauhag die Rede ist. Das konnte natürlich nicht ohne Zugabe bleiben, und so spielte die Band auch noch den Elvis-Hit „Blue suede shoes“. Am Sonntag brachen Arnold und seine Frau Margit zu einer Reise mit dem Wohnmobil auf. Nach Berlin.